Lydia Benecke: Emotionale Puppenspieler

Sektenanführer, Betrüger und andere Manipulatoren nutzen psychologische Mechanismen, die im Grunde bei jedem funktionieren: Das zumindest behauptet die Kriminalpsychologin Lydia Benecke. Wenn die eigenen Träume und Hoffnungen bestätigt und positive Gefühle verstärkt werden, wenn der Verstand vom Glauben und von Gefühlen überwältigt wird und eine emotionale Abhängigkeit entsteht, ist es mit der Rationalität vorbei. „Die Opfer sind weder besonders leichtgläubig noch dumm“, betont Benecke – und versucht, die psychologischen Mechanismen und Strategien zu erklären, damit die Menschen rechtzeitig hellhörig werden und sich schützen können. Im proppevollen Haus der Springmaus hat die 42-Jährige nun einen Vortrag über Hochstapelei, Betrug und Gaslighting gehalten, der an manchen Stellen ausuferte, zugleich aber viele spannende Erkenntnisse bot.

Benecke, die Leserinnen und Lesern des General Anzeigers unter anderem den True-Crime-Podcast „Akte Rheinland“ bekannt sein dürfte, zählt ohne Zweifel zu den populärsten Vertreterinnen ihrer Zunft, nicht zuletzt weil sie gerne die dunkle Seite der Psychologie beleuchtet. Sadisten, Mörder und Psychopathen faszinieren sie, ihre Denkmuster, ihr Antrieb, ihre Vorgehensweisen. Und jetzt eben Betrüger. Und ihre Opfer. Denn für einen erfolgreichen Betrug braucht es zwei Seiten: Den manipulativen Geist und jenen, der sich von diesem angesprochen fühlen muss. Es sind diese Beziehungen, die Benecke interessieren und die sie in ihrem Vortrag auch thematisiert, angefangen bei dem Bestätigungsfehler, der jede Lüge glaubhaft macht, wenn sie die eigenen Erwartungen erfüllt. Damit hat der so genannte „Tinder-Schwindler“ Simon Leviev ebenso gearbeitet wie der Regisseur Vikram Ghandi mit seiner Kunstfigur Sri Kumaré, einem vermeintlichen Guru, der tatsächlich für einen Dokumentarfilm eine große Gefolgschaft um sich scharen konnte – und diese nicht mehr loswurde. Das Experiment geriet außer Kontrolle: „Selbst als er als Kumaré sagte, dass er ein Schwindler sei, hat niemand an ihm gezweifelt“, betont Benecke.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Detailliert schildert Benecke verschiedene Fälle, die meisten längst nicht so harmlos wie der von Kumaré. Sie erzählt vom Sektenführer Otto Muehl, der vor allem Kinder seelisch und körperlich missbrauchte, vom brutalen Exorzismus der Anneliese Michel und von „Gaslighting“, bei dem das Opfer durch geschickte Täuschung und ein Abhängigkeitsverhältnis vom Täter zunehmend an der eigenen Wahrnehmung zweifelt. „Sobald die Emotion die Kognition kontrolliert, ist es extrem schwierig, sich aus dem Machtverhältnis zu befreien“, sagt Benecke. Zu viel müsste schließlich in Frage gestellt werden, die eigene Zukunft etwa, die Gegenwart oder gar das ganze Weltbild. Der beste Schutz sei es daher, von diesen Manipulationsstrategien zu wissen und bei bestimmten Signalen (etwa einer zunehmenden Isolation, Geheimnissen oder ungewöhnlichen Bitten) um Hilfe von außen zu bitten. Denn alleine stößt man schnell an seine Grenzen.

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