Local Ambassadors: Die Nacht der großen Stimmen

Eine Probe muss reichen. Mehr ist für die Local Ambassadors nicht drin, bevor sie im Pantheon mit insgesamt fünf Gast-Stars aus aller Welt das „Over the Border“-Festival offiziell eröffnen sollen. Eine Probe für fünfzehn Songs, das ist wirklich nicht viel. Aber trotzdem mehr als genug. Denn was die Band um Pianist Marcus Schinkel zusammen mit den verschiedenen Sängerinnen und Sängern auf die Bühne bringt, ist schlichtweg atemberaubend und gilt schon jetzt, da der Konzertreigen gerade erst begonnen hat als einer seiner Höhepunkte. Lieder aus Bulgarien treffen auf solche aus Japan, die Cumbia wird ebenso gewürdigt wie der Fado, und unbändige Energie aus dem Senegal vermischt sich mit fetzigem Posaunenspiel. Was für eine Mischung. Was für ein Spaß.

Tatsächlich herrscht die Begeisterung auch hinter der Bühne vor. „Es ist einfach unglaublich – und ich werde auch noch bezahlt dafür“, jubelt der Israeli Gal Tamir, während er mit einem Glas Rotwein in der Hand hinter der Bühne tanzt und auf seinen Auftritt wartet. Der Mann mit der sanften, weichen Stimme wird an diesem Abend für die ruhigen, nachdenklichen Momente sorgen, in denen er für all die Großmütter da draußen und da oben singt und zugleich an die weitgehend vergessene Sprache der sephardischen Juden (Ladino) erinnert. Doch von Nervosität ist bei ihm im Backstage-Bereich nichts zu spüren. Tamir genießt es vielmehr, seinen Kolleginnen und Kollegen zuzuhören, so wie der bulgarischen Sängerin Gergana Dimitrova mit ihrer unglaublich wandlungsfähigen Stimme, die die Phrasierungen und Melodien ihrer Heimat mit den Gesangstechniken eines Pygmäenvolkes verbindet und dabei einen ebenso eigenwilligen wie überwältigenden Sound schafft.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Diese unerwarteten Verknüpfungen sind genau das, was die Local Ambassadors erreichen wollen. Die Band wird stets ausschließlich für das „Over the Border“-Festival zusammengestellt, so dass schon bei der Kerntruppe Änderungen vorprogrammiert sind. In diesem Jahr sind zum Beispiel Gitarrist Bob Vogston, Drummer Alex Bernath und Bassist Marius Goldhammer die neuen Kollegen von Schinkel, Perkussionist Pape Seck und Druckluft-Posaunist Florian Hertel. Innerhalb kürzester Zeit mussten sie sich aufeinander einspielen, um ein jetzt abwechslungsreiches, spannendes Programm präsentieren zu können. Was sie natürlich gerne machen, und zwar mit einer klaren Botschaft: „Gerade in Zeiten wie diesen, wo alles ins Wanken gerät, hat Kultur eine politische Funktion“, erklärt Schinkel sowohl hinter als auch später auf der Bühne. „Wir wollen zeigen, wie gut Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen harmonieren können. Umso trauriger ist, dass derzeit überall die Kulturmittel gekürzt werden.“

Wie gut sich alles zusammenfügt, wird bei jedem einzelnen Lied deutlich. Obwohl die Gastmusiker erst rund 32 Stunden zuvor in Bonn angekommen sind, wirkt das Ensemble wie eine gut geölte Maschine. „Wir sind sehr glücklich, dass wir zu diesem fantastischen Festival eingeladen wurden“, erklärt der Pariser Akkordeon-Virtuose Fixi, der zusammen mit der franko-japanischen Flötistin und Sängerin Maïa Barouh nicht nur die Local Ambassadors erweitert, sondern am kommenden Samstag auch mit der gemeinsamen Band l’Ultrabal im Telekom Forum auftreten wird. „Alle Beteiligten hier sind so offenherzig und aufgeschlossen, da fühlt man sich sofort wohl. Außerdem ist diese Location einfach grandios. Die Halle hat eine tolle Akustik, der Backstage-Bereich ist großartig und erst das Essen…“ Beste Voraussetzungen also, um auf der Bühne zaubern zu können. Was Fixi und Barouh leicht fällt. Beide besitzen eine derart ansteckende Spielfreude, dass das Publikum mit Freude alles mitmacht – selbst bei einem japanischen Fischerlied mitwirken. Klasse.

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Während Maïa Barouh und Fixi das Publikum begeistern, geht hinter der Bühne Gal Tamir in sich. Er ist als nächster dran, muss sich konzentrieren, zur Ruhe kommen, sich fokussieren. Dafür zieht er sich kurzerhand hinter die bunte Thekenwand zurück, die die Stirnseite des Pantheons schmückt. Offenbar hat der Ort etwas Besonderes: Eine halbe Stunde später stellt sich Rema Diop aus dem Senegal an die selbe Stelle, bevor sie mit ihrer atemberaubenden, kraftvollen Stimme für einen Abschluss sorgt, der besser kaum hätte sein können. Vor ihr hat schon Estrela Gomes, mit drei Auftritten bei „Over the Border“ gewissermaßen eine Veteranin des Festivals, mit ihrem portugiesischen Liedermacher-Rock das Publikum auf Touren gebracht. Und als dann am Ende noch einmal alle Musikerinnen und Musiker auf die Bühne stürmen und eine Nummer von Diop ergänzen, steht der ganze Saal. Einen so facettenreichen Abend mit derart herausragenden Stimmen erlebt man schließlich nicht alle Tage.




Termine

22.3., Telekom Forum: Il Civetto + L’Ultrabal
24.3., Pantheon: Julian & Roman Wasserfuhr
26.3., Harmonie: Nesrine
28.3., Pantheon: Božo Vrećo
29.3., Lutherkirche Köln: Vando Oliveira & Mirla Riomar
30.3., Pantheon: Jupiter & Okwess

02.4., Lutherkirche Köln: Quadro Nuevo
03.4., Ortszentrum Dottendorf: Tablao de Tango

04.4., Lutherkirche Köln: Melane & Friends
05.4., Harmonie: Marley’s Ghost
06.4., Harmonie: Lind-Froot
12.4., Harmonie: Fountain Cave Basement Orchester + Kültürklüngel Orkestar
26.4., Brückenforum: Fäaschtbänkler

04. + 5.5., Harmonie: Das internationale Akkordeonfestival
14.5., Pantheon: GrioToubaB


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