Karneval ist vorbei, die harsche Realität ist zurück, und die sieht ja alles andere als rosig aus. Der einstige Anführer des globalen Westens, die USA, demontiert sich unter Trump selbst und schießt gleichzeitig einem Alliierten nach dem anderen in den Rücken; die EU sucht nach Antworten und kennt zum Teil noch nicht mal die dazu passenden Fragen; und in Deutschland ist der gesamte Osten nicht länger rot, sondern blau, während Friedrich Merz versucht, sich als entscheidungsfreudiger Kanzler in spe zu generieren und damit einige eigene markige Sprüche zu kaschieren. Keine leichte Situation für ernsthafte Kabarettisten, die angesichts der metaphorischen Elefanten im Porzellanladen der Vernunft und der Moral ihre Programme gar nicht so schnell anpassen können. Aber sie versuchen es – und können beim politischen Aschermittwoch im Pantheon durchaus punkten.
Eine traumhafte Band, ein charmanter Gastgeber und eine Ikone als Überraschungsgast: Eigentlich hätte Max Mutzke sein neuestes „and friends“-Konzert nicht besser planen können. Ausgerechnet am Karnevalssonntag, an dem die Begeisterung für kölsche Musik bei jedem Rheinländer (ob mit oder ohne Kostüm) unweigerlich ihren Zenit erreicht, gelingt es ihm im Rahmen von „Quatsch keine Oper“, Wolfgang Niedecken auf die Bühne der Bonner Oper zu holen, um mit ihm mehr als zwei Stunden zu plaudern und zu singen. Was für eine Kombination; schon beim Erscheinen des 73-Jährigen erhält er stehende Ovationen. Die Erwartungen sind hoch, verständlicherweise. Und tatsächlich erweist sich der Abend – trotz einiger musikalischer Abstimmungsprobleme im Hintergrund – auf emotionaler Ebene für viele Besucherinnen und Besucher als Höhepunkt der Saison.
Für Journalisten allgemein und für Kriegsberichterstatter im Besonderen gilt die Prämisse, das man nah dran sein muss am Geschehen, um Reportagen schreiben zu können. Ohne Gespräche mit Augenzeugen und Fotos von in Trümmern liegenden Städten sind die Schrecken eines solchen Konflikts nur schwer erzählbar. Doch vor allem die Redakteure aus dem Ausland brauchen Hilfe vor Ort, Menschen, die vermitteln können und Türen öffnen, die sonst verschlossen bleiben würden. In der Ukraine sind dies die so genannten Fixer. Sie organisieren Reisen, schätzen das Risiko ein, übersetzen und geben so Impulse für das Narrativ, das in die Welt hinausgetragen wird. Nun hat das Kölner Theaterkollektiv Futur3 diesen Personen mit dem Rechercheprojekt „Making the Story“ ein Denkmal gesetzt. Am 13. März findet die Uraufführung in Depot 2 des Schauspiels Köln statt.
Vor 20 Jahren waren Franz Ferdinand ganz oben. Die Schotten katapultierten sich damals an die Spitze des Britpop, indem sie Elemente des New Wave und des Rock hineinmischten, ein paar dunkle Elemente hinzumischten und das Gaspedal durchdrückten, um einen herrlich tanzbaren und gleichzeitig krachenden Sound zu schaffen. Die Position an der Spitze haben die Thronfolger – Franz Ferdinand benannten sich nach dem habsburgischen Thronfolger, dessen Ermordung in Sarajevo 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte – inzwischen nicht mehr inne, live sind sie aber weiterhin für eine Party gut. Auch mitten im Karneval. Und so lockt die Band ein buntes Publikum in die Kantine, Teenager ebenso wie Mittfünfziger, schwarzgewandete Semi-Goths ebenso wie den ein oder anderen Jecken, die alle nur das eine wollen: Spaß. Was sie auch bekommen.
Eigentlich ist Max Mutzke ja eine Frohnatur. Der charismatische Soul-Sänger gibt auf der Bühne oft den Optimisten und Mutmacher, einen, der die Welt umarmen möchte, damit es ihr wieder besser geht. Diese Haltung vertritt er auch in seiner Autobiographie „So viel mehr“, zeigt sich zufrieden mit seinem Leben und dankbar für viele schöne Erfahrungen – doch gleichzeitig verarbeitet er persönliche, familiäre Tragödien, die ihn bis heute beschäftigen und mitnehmen. Bei einer Lesung in der Volksbühne am Rudolfplatz konnte der 43-Jährige mehr als einmal die Tränen nicht zurückhalten, während er von seiner Mutter und seinem Adoptivbruder Steffes erzählt, die beide viel zu früh aus dem Leben geschieden sind und deren Geschichten einen Kontrast zu den sonstigen Erlebnissen des jungen Max in der Abgeschiedenheit des Schwarzwalds bilden. Es ist ein Abend voller Anekdoten und bewegender Erinnerungen, emotional, herrlich komisch und natürlich voller Musik, kurzum eine Lesung mit Herz und Klang, wie sie ehrlicher kaum sein konnte. Und die Lust auf mehr machte.
Eine mörderische Seniorin, eine Hochschwangere mit einem ungewöhnlichen Geschmack für Namen und eine geisterhafte Psychotherapeutin: Heiko „Schotti“ Schotte lernt in seinem Beruf mitunter ganz schön seltsame Gestalten kennen. Was zu teils sehr skurrilen Gesprächen zwischen dem Tatortreiniger und seinen Klientinnen führt. Nicht zuletzt deswegen ist die nach seinem Beruf benannte Fernsehserie mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle längst Kult. Darauf greifen inzwischen verschiedene Ensembles zurück, die ein paar Episoden von Drehbuch-Autorin Mizzi Meyer für die Bühne adaptiert haben. Auch das Contra-Kreis-Theater hat ein Trio engagiert, das mit Witz, Charme und starken Texten begeistert.
Seit vielen Jahren geistert immer wieder ein Gerücht durch die Musikwelt: Der Jazz in Deutschland ist tot, heißt es da, das will doch niemand mehr hören, geschweige denn spielen. Ein Vorurteil, das leicht zu widerlegen ist angesichts der zahlreichen aufregenden Künstlerinnen und Künstler, die in den vergangenen Jahren ins Rampenlicht getreten sind. So wie Jakob Manz und Johanna Summer. Die beiden Ausnahmetalente haben gerade erst ihr zweites Album „Cameo“ veröffentlicht, auf dem sie sich nicht nur auf Augenhöhe begegnen, sondern ihre Gegenüber zum Fliegen bringen. Jetzt war das Duo bei der Dottendorfer Jazznacht zu Gast – und beweist, dass die Aufnahmen nur ein Vorgeschmack auf die glänzende Zukunft ihrer Zunft sind.
Keine Vorgaben, keine Ansagen und einfach nur Lust am Spiel: Das zeichnet das Format „Freischwimmen“ aus, das seit Beginn der Spielzeit 2025/2026 einmal pro Monat in der Werkstatt-Bühne beim Opernhaus stattfindet. Es ist eine Spielwiese, für das Ensemble ebenso wie für die Regie-Assistenten des Hauses: Gemeinsam können sie ihre wildesten Theater-Fantasien ausleben und Ideen ausarbeiten, die es ansonsten wahrscheinlich nicht auf den Spielplan schaffen würden. Zu Unrecht, zumindest wenn man den 60-Minüter als Maßstab legt, der am vergangen Samstag gezeigt wurde.
Was ist Gerechtigkeit? Ein soziales Konstrukt, eine kodifizierte Sammlung von Werten und Normen, die das Zusammenleben regelt und die verschiedenen Rechtserwartungen zweier oder mehrerer Parteien gegeneinander abwiegt? Ein quid pro quo, ein Auge um Auge? Wer entscheidet, was gerecht ist, und wer darf einfordern, was rechtens ist? Wie viel ist ein stolzer Rappe wert, der verkauft werden soll, wie viel, wenn er als Ackergaul geschunden wurde? Und was ist mit einem Menschenleben? All diese Fragen spielen bei Kleists „Michael Kohlhaas“ eine entscheidende Rolle. Er, der ehrbare Pferdehändler, wehrt sich gegen die Willkür eines selbstgefälligen Junkers, hofft auf die Gerichte und die Urteile der Landesfürsten – und nimmt schließlich das Recht selbst in die Hand, was eine Spirale der Gewalt entfacht, in der die Gerechtigkeit qualvoll zugrunde geht. Nun hat das Theater Bonn den Stoff aufgenommen und in „Kohlhaas (Can’t Get No Satisfaction)“ mit dem gesamten Spektrum des gesellschaftlichen und politischen Protests verknüpft, was zu einigen interessanten Lesarten führt. Und zu teils abstrusen Szenen.
Wenn Helene Bockhorst den Mund aufmacht, entsteht schnell der Eindruck, dass der Abend lang werden könnte. Sehr lang. Da steht eine Frau auf der Bühne, die man vielleicht als graues Mäuschen bezeichnen könnte, wenn sie nicht einen quietschbunten Ganzkörperanzug tragen würde, und erzählt mit monotoner und träger Stimme von Pferden, Live-Hacks, ihrem Sex-Leben und ihren Lieblingserinnerungen an die Kreide- beziehungsweise Schulzeit. Na, das kann ja heiter werden. Doch der erste Eindruck täuscht. Denn hinter der scheinbar schüchternen Person verbirgt sich ein gewitzter Verstand, der geschickt die Form der Stand-Up-Comedy nutzt, um mit Erwartungen zu jonglieren. Was besser klappt als mit Bällen.
Was nicht gesendet wird, ist häufig genug am lustigsten: Das behauptet zumindest die WDR2-Moderatorin Steffi Neu. Eine Aussage, die angesichts der sehr beschränkten Radiozeit nicht allzu verwunderlich ist, aber dennoch eine Verifizierung verdient hat. Nicht zuletzt weil dann der Spaß erst so richtig losgehen kann. Also hat Frau Neu kurzerhand den Fußball-Experten Sven Pistor, den Notfall- und Lungenfacharzt Doc Esser sowie den Kabarettisten und Sprach-Parodisten René Steinberg eingeladen, mit ihr zusammen auf die Bühne der Springmaus zu gehen und mal jene Gespräche zu führen, die sonst zu kurz kommen. Was tatsächlich überaus unterhaltsam ist. Vor allem dann, wenn die vier auf Skripte verzichten. Und einfach drauflos reden.
Es ist nicht ganz ungefährlich, sich mit deutschem Schlager zu beschäftigen. Auf der einen Seite drohen die Auswüchse von Ballermann- und Après-Ski-Partys den guten Geschmack zu überwältigen, auf der anderen ist der Weg in die Katakomben gewisser Musik-Institutionen nicht gerade sonderlich besucherfreundlich. Zumindest, wenn man Götz Alsmann glauben darf, der auf Einladung der Springmaus wieder in der Bundesstadt weilt. Der 67-jährige Entertainer ist ja längst eine Koryphäe für die deutschsprachige Musik der 1950er und 1960er Jahre, für die alten Ufa-Hits und für das, was man als Soundtrack der Wirtschaftswunderzeit bezeichnen könnte. Doch was er während seines Konzert in der Bonner Oper erzählt, lässt seinen Einsatz für dieses längst vergessene Liedgut in einem neuen Licht erscheinen.
Die Welt bricht aus den Fugen. Wissen wir alle. Ist den meisten aber egal. Man kann eh nichts ändern am Klimawandel, am ökonomischen Ungleichgewicht und dem ganzen anderen Mist, also was soll’s. Nach uns die Sintflut. Obwohl: Wenn man Tino Bomelino Glauben schenkt, muss sich die Menschheit über die genannten apokalyptischen Szenarien keine Sorgen machen. Weil sie schon vorher untergeht, abgeschafft durch die sich selbst optimierende Künstliche Intelligenz, die schon in ein paar Jahren soweit sein könnte, um alle anderen Katastrophenschutzpläne über den Haufen zu werfen. Glück gehabt, dann können wir ja weitermachen wie bisher. Doch genau das will der 40-jährige Comedian mit dem Haarschnitt von Olaf Schubert, dem Musikverständnis von Helge Schneider und der Einstellung von Nico Semsrott verhindern – und tut sein Möglichstes, um sein Publikum bei einem Besuch im Haus der Springmaus zu beunruhigen.
In Jean-Philippe Kindler brodelt es. Einen Tag nach der schicksalsträchtigen Abstimmung im Bundestag, in der Friedrich Merz die von ihm so oft gepriesene Brandmauer gegen die AfD mit einem Antrag einriss, der auch von Donald Trump hätte stammen können, kann sich der gebürtige Duisburger im Pantheon nicht so recht entscheiden, was er jetzt machen soll. Eigentlich, so gesteht er, hat er auf den ganzen Mist keinen Bock mehr, auf die verlogene Politik, auf all die Angst und all den Hass und all den radikalen Egoismus, der in der Gesellschaft brodelt und die Idealvorstellung vom Sozialstaat immer stärker erodiert. Andererseits aber will er nicht schweigen.
Eigentlich wäre ein Geburtstagsständchen angebracht gewesen: Vor nunmehr 20 Jahren haben sich fünf Mitglieder des renommierten Knabenchors Hannover entschlossen, dem klassischen Gesang den Rücken zu kehren und sich stattdessen der a-cappella-Musik zuzuwenden. Mit Erfolg, wie diverse Auszeichnungen in den ersten vier Jahren und eine treue Fan-Gemeinde beweisen. Allerdings sind die konservativen Ursprünge bis heute essentieller Bestandteil der DNA von Vocaldente, auch wenn von den Gründungsmitgliedern nur noch Tobias Kiel übrig ist. Der traditionelle Gesangsstil und die biederen, mitunter sehr bemühten Moderationen sind bei ihrem Jubiläumskonzert im Haus der Springmaus auf jeden Fall auffällig, geben sich aber zum Glück im Laufe des Abends – und als sich das Quintett endlich weitgehend aus den Fesseln der Vergangenheit befreit hat, zeigt es seine wahre Brillanz.
Er ist wieder da! Der König in rot, der Erlöser, der das Land einigen will. Oder peinigen? Reinigen? Wer weiß das schon. Elfriede Jelinek denkt alle drei Varianten auf jeden Fall mit: In ihrer druckfrischen Ergänzung zu dem 2016 geschriebenen Theaterstück „Am Königsweg“, das im Schatten der ersten Präsidentschaft von Donald Trump entstand und mit „Endsieg“ betitelt wurde, kommentiert sie bissig – und auch offenkundig enttäuscht – dessen Wiederwahl und sieht schon die Welt in Flammen stehen. Kein Wunder also, dass Regisseurin Katrin Plötner, die erstmals beide Werke zusammenbringt, für ihre Inszenierung am Schauspiel Bonn genau dieses Bild für die ansonsten weitgehend nackte Bühne des Schauspielhauses Bad Godesberg gewählt hat. Sonderlich überraschend ist das nicht. Was ohnehin für weite Teile des Jelinkschen Textkonvoluts gilt, das sich zwei Stunden lang über den Zuschauern ergießt – und leider wenig Neues bietet.
Ein bisschen Reh geht immer. Ein kleines Geweih, ein paar Wortspiel-Verse mit besagtem Paarhufer, schon ist der nächste Übergang geschafft. Ist schließlich nicht immer einfach, wenn das Programm „Wilder Wechsel“ heißt und dazu der Bogen von nostalgisch verklärten Schlager-Prägungen über auf alte Werbeslogans bis hin zu Geschäftsideen auf einer Hallig, den Herausforderungen der Wechseljahre und dem Familiengeflecht des „Bergdoktors“ geschlagen werden soll. Doch Sia Korthaus kriegt das hin. Irgendwie. Jetzt war die Kabarettistin (mit und ohne Reh) im Rahmenprogramm des Kleinen Theaters zu Gast – und brachte mit charmanten, teils bissigen Komentaren und dem ein oder anderen geschickten Rollenwechsel tatsächlich alles zusammen.
Technisch war Henrik Freischlader schon immer herausragend. Der 42-jährige Gitarrist jagte schon vor beinahe 20 Jahren überaus versiert über die Saiten und begeisterte seine Fans mit einem starken Solo nach dem anderen. Doch das Gespür für die Seele der Musik, ist ihm – ähnlich wie bei Joe Bonamassa – zwischenzeitlich verloren gegangen. Nach der Corona-bedingten Zwangspause hat er sich aber neu aufgestellt und sich auf seine Wurzeln besonnen. Hat geholfen: In der restlos ausverkauften Harmonie erweist sich Freischlader auf jeden Fall so stark wie schon lange nicht mehr und begeistert mit frischem, leidenschaftlichen Bluesrock vom Feinsten.
Urbaner Soul: So bezeichnet Jeff Cascaro den ihm eigenen Sound, in dem sich Blues und Jazz mit der Musik von Marvin Gaye und Ray Charles mischt und für den er sowohl von Fans auch auch von Kolleginnen und Kollegen geschätzt wird. Jetzt ist der 57-Jährige zur Dottendorfer Jazznacht gekommen, mit einer hochkarätigen Band (Bassist Christian von Kaphengst, Pianist Billy Test und Drummer Hans Dekker) und jeder Menge Leidenschaft, um die Bundesstadt zur „Soul City“ zu machen. Was auch gelingt, dank eines engagierten, leidenschaftlichen Publikums, herrlich groovenden Songs – und einer ganz besonderen Art des Klatschens.
Acht Stimmen, acht Frauen, acht Körper, sonst nichts. Nur reiner Harmoniegesang abseits des Mainstreams, vielschichtig, komplex, eigenwillig, schön – und schwer zu fassen. Was die australische Musikerin Kat Frankie mit ihrem Projekt „B.O.D.I.E.S.“ präsentiert, lässt sich längst nicht so einfach beschreiben, wie es die Schlagworte vorgaukeln. Ja, es ist ein A-Cappella-Konzert, das sie und ihre sieben Mitstreiterinnen (eine davon die Kölnerin Barbara Greshake) in der Philharmonie Köln geben, doch mit Pop-Formationen wie den Wise Guys oder OnAir hat ihre Musik nichts zu tun. Auch nicht mit Singer-Songwriting im herkömmlichen Sinn, obwohl Kat Frankie gerne in diese Schublade gesteckt wird, weil sie meistens solo und nur mit Akustikgitarre auftritt. Stattdessen entzieht sich die 46-Jährige konsequent jeglichem Versuch einer Kategorisierung, experimentiert mit Klangwelten, mit Erzählstrukturen und mit der hohen Kunst der Reduktion und lässt daraus Musik erwachsen, die ihre Zuhörerinnen und Zuhörer fordert, die ganz bewusst und sehr konzentriert gehört werden muss und die zugleich so faszinierend ist, dass man sich ihr kaum entziehen kann.
Tiefgang? Nicht an diesem Abend. Keine Chance. Dafür sind Nico Flathmann und Joschka Traue nicht zu haben. Immerhin sind sie die Männer, die aufs Wasser starren, zumindest in den sozialen Medien die ungekrönten Könige der Flachwitze und leidenschaftliche Sammler möglichst simpler Pointen von den flachen Riffen des Humors. Ein Beispiel? „Ich hab neulich mit meinem Hund Frisbee gespielt. Hat nicht geklappt. Ich glaube, ich brauche einen flacheren Hund.“ Klingt albern, ist es auch, zumal sehr viel mehr nicht zu erwarten ist. Aber genau das kommt an, wie das restlos ausverkaufte Pantheon zeigt – ein beeindruckender Erfolg der beiden Nordlichter auf ihrer ersten Deutschlandtour. Und auch wenn bei ihrem Auftritt nicht sonderlich viel Wasser unterm metaphorischen Kiel ist, ist das Publikum begeistert, von den beiden schlagfertigen Akteuren, vom Spiel mit Doppeldeutigkeiten, vom schlichten Konzept. Und vom Mett. Worüber noch zu reden sein wird.
Ach ja, das Paradies. Das mythische Land, wo Milch und Honig fließen, wo man frei von Sorgen und Leiden leben kann so wie einst die ersten Menschen im Ur-Zeitalter der Unschuld. Die Rückkehr dorthin ist ein elementarer Bestandteil zahlreicher Religionen und Kulte und literarischer Topos par excellence. Jetzt haben sich Schauspieler Sebastian Koch und Stargeiger Daniel Hope diesem Thema angenommen und eine ganz besondere Lesung gestaltet, die jetzt auch im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ in Bonn zu erleben war. Zwischen gefürchteter Dystopie und ersehnter Utopie, zwischen dem verlorenen und dem längst wiedergefundenen Garten Eden skizzieren die beiden Künstler mit Texten von Ovid bis Elfriede Jelinek und Werken von Bach bis Schulhoff einen reizvollen Blick der Sehnsucht, der keiner weiteren Erläuterung bedarf.
Alle Jahre wieder: Wie so vieles im Dezember ist auch ein Weihnachtskonzert von BonnVoice längst eine lieb gewonnene Tradition in Bonn, und so überrascht es nicht, dass das Pantheon an diesem 4. Advent restlos ausverkauft ist. Dort erwartet das Publikum ein Adventskalender der besonderen Art, mit 24 Liedern zwischen traditionell bis hochmodern, von „Es kommt ein Schiff geladen“ bis zu Maybebops „Ein neues Weihnachtslied“. Diese Vielfalt zeichnet den Chor aus, der sowohl national als auch international einen exzellenten Ruf genießt. Zumindest wenn die Solisten stimmen. Und der Groove sitzt.
An diesem Nachmittag sind Flying Martini besonders froh über Netz und doppelten Boden. Gleich viermal stürzen die chilenischen Flugakrobaten im Zelt des Bonner Weihnachtscircus ab, während sie mutig durch die Luft in Richtung Fänger springen. Und das bei der Vor-Premiere im Beueler Ortsteil Pützchen. Aber gut, das kann den Besten passieren, und spätestens seit der Verleihung des silbernen Clowns des Circus-Festivals von Monte Carlo kann man das Septett durchaus zu diesem illustren Kreis rechnen. Außerdem gelingt ja auch einiges, unter anderen der legendäre dreifache Salto Mortale – was natürlich prompt (und völlig zu Recht) beim überaus jungen, dankbaren Publikum Jubelstürme auslöst. Dabei ist der Sprung nur eines von mehreren Highlights. Auch wenn noch Luft nach oben ist.
Blockflöten sind der Horror der Weihnachtszeit. Kaum werden dem Instrument die ersten Töne entlockt, sammeln sich Kinder – freiwillig oder gezwungenermaßen – zum gemeinsamen Vorspiel, und welche Zeit würde sich dafür besser eignen als die Festtage, an denen einer ganz besonderen Familie gedacht wird. Inzwischen hat sich diese Unart offenbar auch auf die Kabarettbühne ausgedehnt: Gleich zu Beginn des Weihnachtsprogramms von Ass-Dur im Haus der Springmaus eiern, quietschen und fiepen Dominik und Florian Wagner in einem fort, so als wollten sie als akustische Assassinen jede Form von Harmonie und Wohlklang auf möglichst brutale Weise ermorden (später wird zumindest einer der beiden diese Mission mit einer Geige vollenden). Und das Publikum? Klatscht auch noch, so wie sonst nur die stolzen Großeltern – und selbst die haben vorher ihre Hörgeräte ausgeschaltet. Doch die beiden Brüder können auch anders. Wenn sie nur wollen.
Er kann’s einfach nicht lassen: Einmal mehr hat Florian Schroeder in seinem Jahresrückblick „Schluss jetzt“ auf Politiker aller Parteien geschimpft, hat sie vorgeführt, verurteilt und bei seinem ersten Auftritt in der in der Bonner Oper kurzerhand an den Pranger gestellt. Der 45-Jährige inszeniert sich als Ankläger, Richter und Henker in einer Person. Seine Beweise sind Videoschnipsel, die der Kabarettist sich so zusammenschneidet, wie er sie gerade braucht (und die er mitunter auch mal aus dem Zusammenhang zerrt), seine Waffe das gesamte Potenzial der satirischen Übertreibung und sein Urteil vernichtend. Schroeder ist wütend, das merkt man, und gleichzeitig bitter enttäuscht von den Parteien – und vom Volk. Denn auch wenn die Regierung in den vergangenen Monaten kein gutes Bild abgegeben hat, haben ihre Mitglieder die AfD und das BSW nicht selbst gewählt. So viel Differenzierung muss dann doch sein.
Hauptsache, die Kinder kommen unter die Haube: Etwas anderes als die Hochzeit ihrer fünf Töchter hat Mrs. Bennet nicht im Sinn. Natürlich muss es der richtige Ehemann sein, ein gut aussehender, ein Offizier und Gentleman oder zumindest ein Adeliger, möglichst mit viel Geld in der Tasche. In Jane Austens Entwicklungsroman „Pride and Prejudice“ reicht dieses Ziel – natürlich mitsamt allerlei Verwicklungen – mühelos aus, um zahlreiche Seiten zu füllen. Auf der Bühne wirkt der Stoff hingegen schwerfällig, weil zwar viel gesagt, aber wenig getan wird. Trotzdem hat die Bonn University Shakespeare Company (BUSC) den Roman nun in der Brotfabrik inszeniert. Was dank einiger charmanter Schauspielerinnen und Schauspieler besser gelingt als zunächst gedacht.
Sie haben sich immer noch lieb, das Traumpaar der deutschen Soul- und Hip-Hop-Szene: Joy Denalane und Max Herre befinden sich derzeit auf ihrer gemeinsamen „Alles Liebe“-Tour und legen großen Wert darauf, dass ihre Beziehung nach 25 Jahren stärker ist als jemals zuvor. Ja, manchmal geht es auch bei ihnen stürmisch zu, aber im Grunde harmonieren die beiden einfach zu gut miteinander, so die Botschaft, die Denalane und Herre bei ihrem Auftritt im Palladium mit ihren Liedern und ihren Ansagen vermitteln wollen. Und die kommt an. Die fantastische Soul-Stimme der energiegeladenen Sängerin und der treffsichere Rap des ehemaligen Freundeskreis-Mitglieds passen wie Deckel auf Topf, sehr zur Begeisterung des Publikums, das sich nicht nur über Songs aus den jeweiligen aktuellen Platten freuen kann, sondern auch über einige Duette des ersten gemeinsamen Albums. Und ein paar Klassiker.
Ach ja, die Weihnachtszeit ist schon schön. Zumindest für manche. Zum Beispiel für Carmela de Feo alias La Signora. Die scharfzüngige Italienerin wird immerhin im Haus der Springmaus reich beschenkt, und das bereits zwei Wochen vor Heiligabend. Gut, zugegeben, sie ist ja auch Person mit ganz besonderem Charakter – wenn sie die zweite Hälfte ihres Weihnachtsprogramms ganz ohne Päckchen hätte auskommen müssen, wäre Holland in Not gewesen, wie man so schön sagt. Und das wollte nun wirklich niemand riskieren. Außerdem wird man auf diese Weise so manche Dinge los, die man wirklich nicht im Haus haben muss, darunter essbare Unterwäsche und der zweite Mankini nach einem nahezu identischen Geschenk aus Oberhausen. Aber auch Christbaumschmuck in Auberginenform oder eine Einhorn-Badekappe gehen an La Signora, die jede noch so alberne Gabe orgiastisch feiert.
Die Scheinwerfer flackern im Sekundentakt. Eine Kakophonie aus Licht hämmert auf den Sehnerv ein, parallel zu dem akustischen Gewitter, das die britische Formation Gong in der Harmonie entfacht. Ein hypnotisches Trommelfeuer rollt durch den Saal, die Gitarren erzeugen wabernde Klang-Sphären, ein Saxofon erkundet ähnlich wie im Modern Jazz die Grenzen der Tonalität – nein, einfach ist die Musik nicht, die an diesem Abend durch den Club schallt. Ebenso wenig will sie konkrete Bilder evozieren, die müssen die Zuhörerinnen und Zuhörer schon selber aus dem abstrakten Konvolut destillieren. Wenn sie denn überhaupt wollen. Die meisten Fans von Gong lassen sich allerdings lieber fallen, lassen sich treiben und mit Impulsen bombardieren, bis alles andere bedeutungslos geworden ist und die audiovisuellen Stimuli das Publikum in einen kollektive Trance getrieben hat. Was nicht lange dauert. Und nur der Anfang einer ganz besonderen Reise ist.