Die Schönheit dieser Welt ist vielfach nur Fassade, Schmerz, Leid und Pein liegt unterm Sonnenschein. Und Hannes Wader singt dazu die Lieder, lässt bittere Texte scheinbar harmlos sein. Im nahezu ausverkauften Brückenforum zeigt sich der alte Barde nun so scharfzüngig wie schon lange nicht mehr, klimpert zwar, allzeit wohlgemut, heitere Melodien auf seiner Gitarre, setzt aber inhaltlich oftmals den Kontrapunkt. Das Mittelmeer mit seinen weißen Touristenstränden wird da für manchen zum Alptraum, hinter der Fassade des urigen Gutshofs lauern Nazis und Kinderschänder. Die Idylle wird zur Bedrohung – und Wader einmal mehr zum sanft singenden Mahner, der musikalisch eben jene Illusion schafft, die er dann mit seinen Versen elegant dekonstruiert.
Vielfalt macht Eindruck: 150 Jahre umspannte das Programm, dass das Baltic Sea Youth Philharmonic (BSYP) unter der Leitung von Kristjan Järvi am vergangenen Freitag im Rahmen des Beethovenfests präsentierte, fünf der an die Ostsee angrenzenden Länder waren vertreten und ebenso viele musikalische Formen. Ein eindrucksvolles Statement eines jungen Orchesters, das sich als neue Stimme des Nordens versteht und dessen Instrumentalisten jedes Jahr neu ausgewählt werden. Dabei setzten zwei Einzelpersonen in der Beethovenhalle starke Akzente: Pianist Jan Lisiecki, der in Edvard Griegs Klavierkonzert in a-Moll mit meisterhafter Brillanz überzeugte, und Kristjan Järvi, sowohl optisch als auch kinetisch der John Travolta des Dirigentenpults, der seine Zöglinge leidenschaftlich zu immer neuen Höhenflügen motivierte.
Ach, was hat er nicht schon alles gesehen, wen nicht schon alles getroffen: Hugh Masekela wird fast schon ein bisschen wehmütig, wenn er zurückblickt. Der 75-Jährige, einer der ganz großen Jazz-Pioniere Südafrikas, hat viel zu berichten, liebt vor allem Anekdoten, die im Zusammenhang mit jenen Stücken stehen, die er im Rahmen des Beethovenfests in der Bonner Harmonie zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Larry Willis zum Besten gibt. New York, damals in den 60ern, wo Jazz an jeder Ecke erklang, man Musiker wie John Coltrane hautnah sah und hörte, oder Louis Armstrong, dem Masekela das Konzert ebenso widmet wie seiner Ex-Frau Miriam Makeba.
Zum dritten Mal in Folge ist die Türkei beim Orchestercampus der Deutschen Welle im Rahmen des Beethovenfests zu Gast gewesen. Und zum dritten Mal begeisterten junge Musiker aus dem Land „zwischen zwei Kontinenten und Religionen“, wie DW-Intendant Peter Limbourg in einem Grußwort sagte, das Publikum in der Beethovenhalle mit einem souveränen Auftritt. Dabei hatte sich das Bilkent Youth Symphony Orchestra (BYSO), das in diesem Jahr die Türkei in Bonn vertritt, gleich eine doppelt schwere Aufgabe gestellt: Die Uraufführung eines Auftragswerks über die Geschehnisse am Gezi-Platz und zudem ausgerechnet Beethovens Neunte. Gewagt. Aber letztlich gelungen.
Goya und Beethoven. Revolutionäre der Kunst, nun in selbiger vereint. Mit diesem Ansatz hat der Komponist Helmut Oehring den dritten Teil seines Goya-Zyklus geschrieben, der am vergangenen Montag in der Bundeskunsthalle durch das Ensemble Resonanz uraufgeführt worden ist. Ein schroffes Werk, mehr aus Geräuschen denn Klängen bestehend und doch auf eine unterschwellige Weise verständlich, bei aller Dissonanz und Zerrissenheit doch mit einer klaren konzeptionellen Sprache versehen. Ein Stück, so wie der taube Goya es in Entsprechung zu seinen Radierungen vielleicht geschrieben hätte.
Renaissance und Moderne im Gebet vereint: Mariengesänge und Ordinaria aus dem 16. und 20. Jahrhundert haben im Zentrum des Konzerts von Singer Pur gestanden, das im Rahmen des Beethovenfests in der Kirche St. Evergislus im Bornheimer Stadtteil Brenig stattfand. Um Kult solle es gehen, um Gebete, Feste, und Opfer ebenso wie um die Verehrung einer Frau, sei sie nun die Gottesmutter oder, da auch weltliche Stücke gesungen wurden, nur eine irdische Gestalt.
Sechs Stimmen in perfekter Harmonie – mehr braucht es nicht, um die Straßenbahnhalle in Dransdorf bis auf den letzten Platz zu füllen. Zumal wenn diese Organe eine der besten a-cappella-Formationen der Welt bilden. Diese Position wurde nun eindrucksvoll unterstrichen: Wenn Rajaton ihre Traditionals oder die Werke ihrer Hauskomponistin Mia Makaroff sangen, kam unweigerlich die Gänsehaut, wurde der Moment magisch und unvergesslich. So kann denn auch das Konzert des Sextetts ohne weiteres als eines der Highlights des diesjährigen Beethovenfests bezeichnet werden, selbst wenn die Programmgestaltung zumindest in der ersten Hälfte nur einen Bruchteil dessen abdeckt, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre.
Ungerade Taktarten, geniale Musik: Das war das Markenzeichen des Jazz-Pianisten Dave Brubeck. In der PostTower Lounge haben ihm nun die beiden Powerfrauen Laia Genc (Klavier) und Sabine Kühlich (Saxofon, Gesang) im Rahmen des Beethovenfests einen ganzen Abend gewidmet. Ein Duo statt des bei Brubeck beliebten Quartetts, das sich aber geschickt und mit einigem Witz auf die Suche nach dem Kern der Stücke machte. Und dabei immer wieder Überraschendes zu Tage förderte.
Immer wieder stellen Jazzfans ihm eine Frage: Was von dem, was Iiro Rantala auf dem Klavier zaubert, ist komponiert und was improvisiert? Dahinter steht unausgesprochen der Wunsch nach einer Differenzierung zwischen klassisch geprägten Ausarbeitungen und freien Umspielungen, die Suche nach dem Kern des Jazz, die für Rantala auf diese Weise eigentlich überhaupt nicht geführt werden dürfte. Bei dem Konzert, das der Finne nun im Rahmen des Beethovenfests in der Harmonie gab, spielte das dementsprechend keine Rolle: Komposition oder Improvisation, beides ist gleich gut, virtuos und wahrhaft magisch in seiner Eleganz.
Ein Hitchcock-Meisterwerk als banales Hörspiel? Als szenische Lesung? Ganz ohne die starken Filmbilder? Eigentlich unmöglich. Eigentlich. Denn Matthias Brandt, immerhin inzwischen einer der besten Schauspieler Deutschlands, und der Tasten-Zauberer Jens Thomas haben in der Bonner Oper den Gegenbeweis angetreten: „Psycho“ funktioniert auch auf der Bühne. In gewisser Weise sogar besser. Intensiver. Direkter dank des allzeit verlässlichen Kopfkinos. Und dank eines Duos, das den gesamten Opernsaal in seinen Bann zieht.
Neue Musik ist immer etwas Besonderes. Schwer verdaulich, schräg, irritierend, fehlen doch die sonst gewohnten Strukturen, die klaren Harmonien oder Rhythmen, die ein Stück in der Regel tragen. In der Bundeskunsthalle war dies am vergangenen Sonntag nicht anders: Das Studio Musikfabrik, das im Rahmen des Beethovenfests Werke vier zeitgenössischer Komponisten präsentierte und inszenierte (im Falle von Philipp Maintz stand sogar eine Uraufführung auf dem Programm), begab sich in das Reich von Minimal-, Ritual- und performativer Musik, wo selbst Geräusche ihren Platz haben. „Auch sie bewirken etwas im Raum“, erklärte Schlagzeuger Dirk Rothbrust, der als einer von mehreren Profis mit den durchweg jungen Studenten und Schülern der Musikfabrik die Stücke erarbeitet hatte.
rehen. Immer weiterdrehen. 20 Minuten lang um die eigene Achse. Es ist kein Tanz, sondern eine Art von Gebet, ein Weg, um innere Klarheit zu erlangen, für den die Mevlevi-Derwische berühmt sind. Am vergangenen Donnerstag wirbelten unter dem Titel „Passio – Compassio“ fünf von ihnen nun auf der Bühne der Beethovenhalle auf der Stelle – und zwar sowohl zu orientalischer Musik aus der sufischen Tradition als auch zu Auszügen aus Johann Sebastian Bachs Johannes- und Matthäuspassion. Orient traf Okzident, christliche Barockmusik auf türkische und syrisch-orthodoxe Gesänge, vom Ensemble Sarband unter ihrem Leiter Vladimir Ivanoff (und mit Unterstützung des Modern String Quartets) ineinander verwoben und vereinheitlicht. Ein bemerkenswertes Experiment, das auch weitgehend glückte. So lange die Musiker nicht versuchten, modern zu klingen.
Clubbeats müssen rein elektronisch sein? Mitnichten! Das Brandt Brauer Frick Ensemble, das in diesem Jahr von den Schülermanagern des Beethovenfests in das Telekom-Forum gelockt werden konnte, beweist das Gegenteil. Tuba, Posaune, Geige, Cello, Harfe, Klavier und Marimbaphon sowie ein teils durch Pauken ergänztes Schlagwerk jagen in repetitivem Minimalismus die immer selben Motive im Kreis, quetschen sie förmlich durch den Gehörgang in die Gehirnwindungen, durch die ständigen Wiederholungen an Kraft gewinnend und in manchen herausragenden Momenten eine filmmusikalische Qualität erlangend.
Eine überzeichnete Boulevard-Komödie, grell, aufgesetzt, in einer „Melrose Place“-Wohnanlage situiert. Darin die übliche Baggage: Depressiver, suizidaler Sohn, sich im Glanz vergangener Erfolge sonnende Mutter, junge Unschuld vom Lande, unglücklich Liebende und so weiter. Also alles ganz banal? Mitnichten. Denn unter der Oberfläche lauert ein dunkles Moor der Verzweiflung, nur notdürftig übertüncht und immer wieder zum Vorschein kommend. Tragik trotz oder gerade wegen zahlreicher Lacher. Ein interessanter Ansatz für Anton Tschechows Stück „Die Möwe“, das am vergangenen Freitag in den Kammerspielen Bad Godesberg seine umjubelte Premiere feiern konnte.
„Schuldig! Er ist schuldig!“ Zum Schluss ist nur noch einer von zwölf Geschworenen vehement für die Mord-Theorie, nach der ein 19-Jähriger seine Freundin erstochen haben soll, was ihn wiederum – es gilt ja der alttestamentarische Spruch „Auge um Auge“ – auf den elektrischen Stuhl schicken würde. Es wäre so einfach gewesen. Doch in dem leicht modifizierten Kammerspiel nach dem gleichnamigen Film von Sidney Lumet von 1957, das die Abschlussklasse der Film Acting School Cologne (FAS) jetzt im Euro Theater Central aufführte, geht es nicht um ein schnelles oder einfaches Urteil. Auch nicht um die Wahrheit. Sondern lediglich um einen berechtigten Zweifel.
Taghell wird der Platz nicht, dafür sind einfach zu wenige Menschen mit strahlkräftigen Handys vor Ort, aber die Richtung stimmt: „Kommt, wir bringen die Welt zum Leuchten“ singt Adel Tawil bei dem letzten KunstRasen-Konzert des Jahres und sieht fasziniert auf ein funkelndes Meer aus Lichtern. Die gut 2000 Besucher, für einen Star dieser Größe erschreckend wenig, zücken alles, was auch nur ansatzweise die Dunkelheit zurücktreiben könnte, machen fehlende Masse durch Begeisterung wett, sind für jeden Spaß zu haben. Selbst für Yoga-Bäume. Ein guter, ein würdiger Abschluss für eine leider vom Wetter stark beeinträchtigte Saison, manchmal zwar etwas zu pathetisch und schmalzig, aber dafür das Publikum begeisternd. Zumal Tawil sich zunehmend öffnet, Distanz überwindet und schließlich auch den Bonnern zugesteht, vom selben Stern wie er zu sein.
Größer könnte der Kontrast zum Vortag kaum sein: Während The BossHoss am Freitag alles versucht hat, um noch ein Quentchen mehr Energie in ihre Performance zu legen, tritt Gregor Meyle ganz bewusst auf die Bremse. Nicht so schnell, Pferdchen. Bleib locker. Entschleunigung ist das Stichwort, Entspannung das Ziel. Vor knapp 1500 Menschen nimmt sich der charismatische und selbstironische Pop-Barde jede Menge Zeit, spielt so ziemlich jedes Lied in seinem Repertoire, stimmt zwischendurch immer wieder genüsslich die Gitarre (was am Ende des Konzerts in der Summe mindestens eine Viertelstunde in Anspruch genommen haben wird) und hat lässt dabei den Kontakt zu seinen Fans nie abreißen. „Ich bin für euch hier“, vermittelt er. Und scheint es auch so zu meinen.
Musik mit jeder Menge Bullenstärken, getragen von einer knackig aufspielenden Band und zwei ausgewiesenen Rampensäuen: Das Konzert von The BossHoss war das Highlight der diesjährigen KunstRasen-Saison. Auch wenn die Veranstaltung mit 3500 Besuchern durchaus noch Luft nach oben gehabt hätte, war die Stimmung famos, der Sound gut, die Show sehens- und die bereits drei Vorbands (die Bonner Foggy Mountan Rockers, die österreichische Rock-Gruppe Kaiser Franz Josef und das Londoner Bluesrock-Duo The Graveltones) hörenswert. Das Basis-Septett um Alec „Boss Burns“ Völkel und Sascha „Hoss Power“ Vollmer gab von der ersten Sekunde an Vollgas, war nach zehn tickenden Zeigerbewegungen auf 180 – und drehte dann erst so richtig auf. Yee-haw! Mit Bullpower (so ein Titel von The BossHoss) statt mit Pferdestärken geht so etwas. Und dank krachender Gitarren sowie dem fetten Sound der Tijuana-Wonderbrass-Sektion.
Es ist die ultimative Lobhudelei: Georg Schramm im Purpur-Thron unter dem Bundesadler, seine Adjutanten, Freunde, Weggefährten und ehemaligen Anstaltsmitinsassen Urban Priol und Jochen Malmsheimer zu beiden Seiten, noch einmal in die Schlacht ziehend und das Große Ganze suchend, so wie die alte Lederhand, die auf diese Weise seinen Abschied von der Bühne zelebriert, es 25 Jahre lang getan hat. Dieses Spektakel, dass das Pantheon auf die Beine gestellt hat, will sich denn auch keiner entgehen lassen, auch wenn es, so verraten die beiden Verschwörer Priol und Malmsheimer, nur eine Probe für den großen Abend ist.
Keine Frage: Es gibt nur wenige Vertreter der Kleinkunst-Szene, die Lars Redlich in gesanglicher Hinsicht das Wasser reichen können. Der ausgebildete Musical-Darsteller, der unter anderem schon Dr. Frank n Furter („The Rocky Horror Show“), Danny Zuko („Grease“) und Käpt'n Blaubär gespielt hat, hat eine fantastische Stimme, vielseitig, warm, in allen Lagen volltönend. In seinem Solo-Programm „Lars but not least“, das er jetzt in einem sehr intimen Rahmen im Pantheon Casino präsentierte, lässt er sie denn auch ausgiebig zur Geltung kommen – und verhaspelt sich dabei leider immer wieder im undurchsichtigen Konzept. Mal will er zu viel auf einmal, dann wieder stapelt er zu tief, mal stimmt er nachdenkliche Töne an, dann wieder suhlt er sich im totalen Blödsinn. Dabei mangelt es an einem Leitton. Trotz einiger brillanter Momente.
Ab der dritten Wiederholung darf man im Rheinland ja bekanntermaßen von Tradition sprechen. Jetzt hat sich die erfolgreiche Reihe Jazz in Concert im Pantheon Casino dieses Label aneignen können: Am vergangenen Sonntag startete das Bonn Jazz Orchester mit einem umjubelten Konzert in die neue Staffel der erfolgreichen Veranstaltungsreihe. Wie gewohnt bis auf den letzten Platz ausverkauft (selbst Stehplätze waren Mangelware), wie gewohnt mit Musik auf höchstem Niveau. Und das, obwohl die Formation aufgrund anderweitiger Verpflichtungen einiger Stammmusiker gleich mit vier Gästen aufwartete.
Wo ist Mallorca, wenn man es mal braucht? Sommer, Sonne, Sonnenschein – ohne diese Zutaten macht eine gigantische Open-Air-Schlagerparty wie Bonn Olé in den Rheinauen nur halb so viel Spaß. Am Samstag hat sich dies wieder einmal gezeigt: Selbst erfahrene Stars der Szene hatten zumindest in den frühen Stunden Mühe, die etwa 20.000 Besucher zu begeistern, obwohl sie wirklich alle Register zogen. Am besten gelang es noch mit dem einfachsten Trick der Welt. „Zicke-zacke, Zicke-zacke.“ Wirkte immer.
achwuchsförderung, Stufe 2: Nachdem zuletzt das Musiknetzwerk, das den Wettbewerb Toys2Masters ausrichtet, einigen Bands Auftritte bei den Stadtgartenkonzerten ermöglicht hatte, standen an diesem Wochenende ehemalige Teilnehmer des Popcamps auf der Bühne am Alten Zoll. Dieser vom Deutschen Musikrat ausgerichtete „Meisterkurs für Populäre Musik“, zu dessen Gewächsen unter anderem Jupiter Jones zählen, unterstützt talentierte Formationen und Einzelkünstler bei ihrem Weg in die Professionalität, bietet unter anderem Coachings – und eben essentielle Live-Erfahrung. Die Bands konnten nun in Bonn unter Beweis stellen, was sie seit ihrer Popcamp-Teilnahme vor einem beziehungsweise vor zwei Jahren haben umsetzen können. Also her mit den Rampensäuen.
Altersmilde? Bei dem Begriff können Fritz Litzmann (alias Pantheon-Gründer Rainer Pause, der nach einem kleinen Krankheitsschub, durch den die Premiere um drei Tage verschoben werden musste, wieder auf dem Damm zu sein scheint) und Hermann Schwaderlappen (alias Norbert Alich) nur mitleidig mit dem Kopf schütteln. Für die beiden kommt so etwas einfach nicht in Betracht. Sich aufregen, das ist schließlich ihr Lebensinhalt. Krieg, Finanzlöcher, Flüchtlinge und wieder Krieg: Themen gibt es genug, bei denen das Blut schon automatisch zu kochen beginnt. Auch wenn es immer die selben sind.
Boom Boom Boom Boom – ein typischer Dancefloor-Grundrhythmus jagt mit einer Dreiviertelstunde Verspätung über den KunstRasen, ein monotoner, unaufhaltsamer Beat, der Herzschlag einer riesigen Open-Air-Disco, der die rund 2500 Besucher in Bewegung setzt. Die Arme wedeln, die Beine zappeln. Und das Blut tanzt Swing. Oder zumindest etwas in der Richtung. Könnte auch Ska oder Balkan-Jazz sein, was der österreichische DJ Parov Stelar zusammen mit seiner Band da über die Techno-Rhythmen legt. Hauptsache, Saxofon und Trompete dürfen ihre beliebten flotten Motive spielen und so für Stimmung sorgen.
„Irgendwann merkt man gar nichts mehr“, ruft der Graf mit einem kurzen Blick gen Himmel. Regen? Pah! Das kann doch einen wie ihn nicht erschüttern. Er ist ohnehin nass, ob nun vom Schweiß oder aus anderen Gründen, ist da völlig irrelevant. Und was für den Sänger von Unheilig gilt, trifft auf die mehreren tausend Fans, die auf den KunstRasen gekommen sind und diesen endlich einmal wieder ordentlich füllen, erst recht zu. Das leichte Geniesel, das pünktlich zu Konzertbeginn begann (vor größeren Schauern blieb das Konzert zum Glück verschont), spielt schon seit den ersten Tönen keine Rolle mehr.
Brillante Texte zu ruhigem Gitarrenspiel, verträumte Balladen voller Wortspiele, Witz und Sozialkritik: Für diese Kombination haben die beiden Liedermacher Simon & Jan in diesem Jahr den Jurypreis des Prix Pantheon erhalten. Eine Auszeichnung, die viel erwarten lässt. Nun musste das Duo bei zwei ausverkauften Auftritten (einer im großen Haus und ein er im Casino) beweisen, dass es damit auch einen ganzen Abend lang zu unterhalten weiß. Genug würdiges Material hatten die zwei Oldenburger auf jeden Fall dabei.
Wie bei so vielen wieder vereinten (und partiell erneuerten) Bands ist der Name und das damit verbundene Erbe die schwerste Bürde: Die Erwartungshaltung an die legendäre Agitpop-Formation Ton Steine Scherben, die jetzt im Rahmen der c/o pop aufgetreten sind, war zehnmal größer als alles, was fast 40 Jahre nach der Blütezeit realisierbar gewesen wäre, selbst wenn Rio Reiser noch leben würde. So wie damals sollten sie klingen, von der Zeit und dem Tod unberührt, zumindest für zwei Stunden noch einmal Aushängeschild der linken Szene sein, protestierend, agitierend, demonstrierend. Ein Anspruch, dem niemand hätte gerecht werden können. Am allerwenigsten aber die Scherben.
Die gute Nachricht gleich am Anfang: Das Bonner Timing stimmt! Da gehen sogar Off-Beats. Also Schläge auf den Zählzeiten 2 und 4 statt auf den in Deutschland so beliebten Marsch-Rhythmen auf 1 und 3. Für das interaktive Konzert, das Christian von Richthofen mit seinem Pianisten Sebgastian Scobel am vergangenen Wochenende im Haus der Springmaus gleichermaßen aufgeführt und dirigiert hat, war dies essentiell. Denn ein einfaches Wumm-ta-ta samt enthusiastisch-stupidem Klatschen von Seiten des Publikums reicht nicht aus, um den charismatischen Maestro in seinem nietnagelneuen Programm „Meet the Beat“ zufrieden zu stellen. Nein, der fordert mehr. Viel mehr. Unter anderem volle Konzentration bei Bossa-Rhythmen. Mitmachen statt sich berieseln lassen. Ein Ansatz, der zumindest in Bonn aufging. Womit der Abend dann doch zu einem ganz besonderen Genuss wurde.
Seit 20 Jahren bietet Toys2Masters jungen Bands aus der Region (und inzwischen auch darüber hinaus) eine Plattform, stärkt und fördert sie. Jetzt hat der Bandcontest im Rahmen der Stadtgartenkonzerte seinen Geburtstag gefeiert. Stilecht natürlich: Vier Formationen, die in den vergangenen Jahren in den Finals auf sich aufmerksam gemacht haben, spielten am vergangenen Samstag auf der Bühne am Alten Zoll und stellten unter Beweis, dass Toys2Masters durchaus für Qualität steht.
Vorhang auf, Manege frei: Die Gaukler kommen. Schausteller wie vor hundert Jahren, Akrobaten, Artisten, Illusionisten, die selbst aus dem zerlumptesten Zirkus eine Zauberwelt machen konnten und können. Nun tummeln sich diese Gestalten im Bonner Pantheon, wo noch bis zum 23. August der neueste Streich des alljährlichen Varietéspektakels zu sehen ist. Eine Show, die dank vielseitiger Künstler und einer insgesamt runden Dramaturgie bei der Premiere für Begeisterungsstürme gesorgt hat.
Da flirren sie wieder, die Saiten: Triller jagen Arpeggios, virtuose Melodien erheben sich über temporeicher Akkordbegleitung. Flamenco, der für gute Laune sorgt. Ja, Tierra Negra beherrscht diese Spielform richtig gut, wie das Duo jetzt im Kleinen Theater Bad Godesberg im Rahmen der „Sommergäste“-Reihe bewies. Und so lange sich Raughi Ebert und Leo Henrichs ausschließlich auf ihre Fähigkeiten als Gitarristas verlassen, Gas geben und ein wenig zaubern, macht jeder Ton Lust auf mehr. Doch leider bleibt es nicht dabei. Stattdessen sorgt eine Tour entlang der „Memory Lane“ für Ernüchterung. Weil das Herz fehlt. Und eine gute Reiseleitung.
Oh, sie hat schon viel erlebt, die Amanda. Sie hat schon alle Nationalmannschaften betreut, mit Horst Seehofer geflirtet und um den Königinnenposten bei der Fränkischen Fastnacht gekämpft. Das sollte doch einiges wert sein. Dennoch scheint Sebastian Reich nicht allzu viel von den Sprachkünsten seiner Begleiterin und Chefstewardess zu halten. Möglicherweise überschätzt er auch nur seine eigenen. Vielleicht trifft beides zu. Zumindest lässt sich nur schwer von rhetorischem Geschick sprechen, wenn der Puppenspieler und Bauchredner aus Würzburg entweder Fragen stellt, die nur mit einem knappen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, oder aber die Ausführungen von Nilpferddame Amanda beständig wiederholt, damit nun auch wirklich jeder im nur mäßig gefüllten Haus der Springmaus die Pointen mindestens zweimal hört. Doppelt gesagt hält besser? Wohl kaum. Doppelt gesagt leiert aus – das trifft wohl eher zu.
Musikalische Phrasen in der Dauerschleife. Gebrochene Akkorde unter meditativen Melodien, ab und zu mal ein paar Paukenschläge: Die Kompositionen Ludovico Einaudis sind überschaubar, einfach gestrickt oder, wie der Maestro selbst sagt, minimalistisch. Auf jeden Fall sind sie effektiv. Zumindest wenn das Mini-Orchester, mit dem der Italiener auf Tour ist, sich warm gespielt hat. Am Tanzbrunnen in Köln haben sich jetzt mehrere Tausend Zuhörer von den repetitiven Klängen einlullen lassen – und wurden am Ende mit immer stärker werdenden Werken belohnt.
Harmonie beruht in der Regel auf Verständnis. Bedingungsloser Zuverlässigkeit. Und auf einem Dialog auf Augenhöhe. Zugegeben, nicht immer eine leichte Aufgabe. Doch wenn es funktioniert, kann
daraus etwas Wunderbares entstehen, wie Chick Corea und Stanley Clarke am vergangenen Samstag eindrucksvoll demonstriert haben. Seit mehr als 40 Jahren sind sie Weggefährten, haben den Fusion
Jazz mit der Band „Return to Forever“ entscheidend geprägt, gehören zu den besten Musikern ihres Fachs – und verstehen sich blind, ohne Worte, ohne Gesten. Einfach nur, indem sie spielen. Aber
wie.
„Der Regen ist ein Segen“, ruft Iba Mahr am zweiten Tag des Summerjam in Richtung der tropfenden Menge. Er hat leicht reden, die Bühne ist schließlich überdacht. Dennoch nehmen viele der angereisten Fans den Rat offensichtlich an. Denn selbst als es an diesem Samstag wie aus Eimern gießt, Sand und Erde sich in eine braune Brühe verwandeln und das Public Viewing (auch ein Festival wie der Summerjam kommt nicht ohne Fußball aus) in ein Zelt verlegt werden muss, springen, wippen, klatschen und feiern Hunderte zu fetten Beats und heißen Rhythmen, zu Roots, Dub, Rap und Reggae. Nasse Rastas fliegen besser. Und wer weiß, vielleicht hat der Sonnentanz ja tatsächlich geholfen. Wenn auch mit etwas Verspätung...
„Jemand hat mir mal gesagt, ich sei die einzige Frau, die die Berge verlassen und sie zugleich mitgenommen habe“, sagt Dolly Parton, streicht über ihre Brüste und lacht. Es ist einer von vielen selbstironischen Momenten an diesem Abend in der Lanxess-Arena in Köln, einer, bei dem die Country-Ikone mit ihren offenkundig künstlichen Reizen ebenso kokettiert wie mit ihrer Herkunft. Von den Smoky Mountains, wo sie zusammen mit elf Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, auf die großen Bühnen dieser Welt. Rekordhalterin bei den Grammy Awards (46 Nominierungen, sieben Auszeichnungen), 25 Nummer-1-Hits in vier Jahrzehnten, laut dem Brachenblatt Billboard die reichste Frau in der Geschichte der Popmusik.
„Much ado about nothing“, „The Midsummer Night's Dream“, „The Taming of the Shrew“ – Shakespeares Komödien sind auch gut 400 Jahre nach ihrer Entstehung Publikumsmagneten, aber auch Herausforderungen für die Schauspieler. Nun hat sich die Bonn University Shakespeare Company (BUSC) die all diese Stücke bereits erfolgreich auf die Bühne gebracht hat, an das Verwechslungspiel „Twelth Night“ herangewagt. In der Brotfabrik zeigte das Ensemble eine bemerkenswerte Leistung – auch wenn die Inszenierung an sich durchaus Schwächen aufwies.
Da doziert er wieder. Gut so. Offenbar hat Jürgen Becker sich von seinem schweren Motorradunfall wieder völlig erholt – auf der Bühne des Pantheon ist der Kabarettist auf jeden Fall gleich an zwei aufeinander folgenden Abenden permanent in Bewegung, deutet, erklärt, analysiert mit sichtlicher Leidenschaft sein Steckenpferd, die Kunst, schlägt dabei den Bogen von steinzeitlichen Höhlenmalereien zur Moderne und schafft es dabei, viel zu vermitteln ohne zu langweilen. Ein Talent, von dem sich mancher Pädagoge noch eine Scheibe abschneiden könnte.