Sie haben es immer noch drauf: Seit mehr als 20 Jahren sorgen die Wise Guys mit ihrem Vokalgesang dafür, dass a-cappella-Musik in Deutschland mehr als nur ein Nischendasein fristet. Das Kölner beziehungsweise inzwischen Hürther Quintett füllt große Säle wie zuletzt wieder die Beethovenhalle und sorgt beim Publikum, das vom Vorschulkind bis zum Senior alle Generationen umfasst, ein ums andere Mal für Jubelstürme. Zu recht, mag man mitunter sagen – und dann doch wieder mit dem Kopf schütteln angesichts eines oft albernen Humors und Liedern, die ihre Nähe zum Schlager kaum verhehlen können.
Je später der Abend, desto schöner die Gäste, heißt es. Eine Binsenweisheit, die allerdings für New Model Army spricht. Die britischen Independent-Rocker haben bei ihrem traditionellen Kölner Weihnachtskonzert im Palladium am vergangenen Samstag eine Spätschicht eingelegt; erst um 22 Uhr, nach den Auftritten von Radio Havanna und The Godfathers, betraten sie die Bühne, um ihre Jünger zu beglücken. Doch das Warten hatte sich wie üblich mehr als gelohnt: Die hypnotisch pulsierenden Toms und anderen Drums rund um Michael Dean, die seit dem Album „Between Dog and Wolf“ den neuen Herzschlag der Army beschwören, sorgten einmal mehr für eine phänomenale Atmosphäre, in der Gitarren (Marshall Gill), Keyboard (Dean White) und Bass (Ceri Monger) ein prächtiges Klang-Gewitter bildeten. Und dazwischen Justin Sullivan, charismatischer Gründer, Frontmann und Seele der Army, dessen Intensität einfach unerreicht ist.
Das hatten sich die Veranstalter wohl anders vorgestellt: Eigentlich wollte das Theater Bonn nicht nur die Klassik- sondern auch die Jazz-Fans vermehrt ins Opernhaus ziehen und setzte dazu auf eine kleine Reihe mit hochkarätigen Künstlern, die Kenner interessiert aufhorchen lassen und in Scharen an den Boeselagerhof ziehen sollten. Doch das Auftaktkonzert am vergangenen Montag mit den Klazz Brothers, die mit ihrem Klassik-Latin-Crossover immerhin schon zwei Klassik-Echos gewinnen konnten und die musikalisch zweifelsfrei auch ohne die kubanischen Perkussionisten Alexis Herrera Estevez und Elio Rodriguez Luis zu den spannendsten Jazz-Formationen Deutschlands gezählt werden können, zeigte ein erschreckendes Bild. Gerade einmal 100 Besucher waren gekommen, um die Verwandlungen und Mutationen von Beethoven, Mozart, Piazolla und Grieg zu bestaunen. Bedauerlich, zumal die Klazz Brothers ihrem Ruf mehr als gerecht wurden.
Wuchtig wirkte sie, gewaltig, treibend. Die Uraufführung von „Amila“, der symphonischen Auftragsarbeit der Deutschen Welle bei der chinesischen Komponistin Lu Jiajia alias Zulan im Rahmen des Beethovenfests, hat in der Beethovenhalle epische Bilder voller fernöstlicher Exotik evoziert, dabei Klänge schaffend, die ihre Nähe zur Filmmusik nicht verhehlen konnten. Kein Wunder, immerhin hat die 35-Jährige aus der Inneren Mongolei, einer autonomen Provinz im Nordosten Chinas, in diesem Bereich bereits einige Erfahrung gesammelt. Vielleicht funktionierte aber auch gerade dadurch der Brückenschlag zwischen westlicher und mongolischer Musik so hervorragend.
Eine Jam-Session soll es sein, bei der jeder mitmachen kann, wenn er nur will. Und sich traut. Denn wenn auf der Bühne der Philharmonie Köln mit Vokalkünstler Bobby McFerrin und Piano-Großmeister Chick Corea zwei Jazz-Legenden sitzen, deren Improvisationskunst man mit einem gewissen Maß an Ehrfurcht lauscht, erfordert er einiges an Mut, um sich dazuzugesellen. Doch das Duo, das im Rahmen seiner aktuellen Europatour am vergangenen Freitag in der Domstadt war, meinte das Angebot ernst – und schaffte es tatsächlich, sowohl das Publikum in seiner Gesamtheit als auch drei Solisten zu motivieren, das Konzert zu bereichern.
Im Hostel ist die Hölle los. Obdachlose hausen in den Zimmern, die Heizung ist nur aufgemalt, das Klo verstopft. Und im Foyer zelebriert eine recht sonderbare Truppe Nacht für Nacht den Sieg von Chaos und Anarchie. Warum, wird nicht so wirklich klar: Zwar will die spritzige Komödie „Vom Lohn der Fleißigen“ des Autors Chris Nolde, die das von ihm vor sieben Jahren gegründete studentische Ensemble S.U.B.-Kultur unter der Regie von Marcus Brien jetzt im Kuppelsaal des ehemaligen Metropol-Theaters aufgeführt hat, eigentlich kritische Töne anschlagen und sich gegen Ausbeutertum und Engstirnigkeit positionieren, verstrickt sich dabei aber öfters in argumentatorische Widersprüche und Floskeln. Ein sinnstiftendes Ziel verfehlt das Stück somit – unterhalten kann es aber dank eines spielfreudigen Ensembles und zweier exzellenter Hauptdarsteller dennoch bestens.
Körper bilden Quallen, Krabben, Elefanten, werden zu Stühlen, Töpfen, einem Schloss, beständig einer Metamorphose unterworfen, die das Publikum zum Staunen anregt: Die Show „Shadowland“ des US-amerikanischen Pilobolus Dance Theatre ist ein zauberhaftes Panoptikum, ein märchenhaftes Schattentheater der Extraklasse. In der Beethovenhalle haben die neun Tänzer jetzt mit teils sinnlichen und teils verblüffenden Bewegungen vor und hinter der Leinwand die Geschichte eines jungen Mädchens in Szene gesetzt, das in einem Traum zu sich selbst finden muss.
Partytime im Rockpalast. Der letzte Tag des WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie hätte eigentlich ganz im Zeichen von The Great Crusades stehen sollen, einer von bislang erst drei Bands, die zum zweiten Mal nach Bonn eingeladen worden waren und dementsprechend hohe Erwartungen weckten. Diesen wurden die Kreuzzügler aus Chicago auch durchaus gerecht – und standen doch im Schatten eines völlig verrückten, abgedrehten und wahnsinnig guten Quartetts, das im Sekundentakt für Lacher und ungläubige Gesichter sorgte. AC/DC im Hillbilly-Stil und nur mit akustischen Instrumenten? Das können Hayseed Dixie doch nicht ernst meinen! Und ob. Sie konnten es. Und sie taten es.