Kubanische Musik? Da denken die meisten Deutschen wahrscheinlich zuerst an den Buena Vista Social Club, jenes inzwischen legendäre Projekt des amerikanischen Gitarristen Ry Cooder und diverser Altmeister der Insel. Doch auch die jüngeren Generationen führen diese Musik inzwischen fort und setzen dabei eigene Akzente, wie jetzt Sängerin Olvido Ruiz Castellanos und Pianistin Lazara Cachao López bei einem schönen Abend in der Harmonie unter Beweis gestellt haben. Die Tochter der „Grande Dame de Son“ und die Erbin von Social-Club-Gründer und Bassist Orlando „Cachaíto“ López brachten die Danzóns und Cha Cha Chas ihrer Heimat mit viel Gefühl und dem nötigen Feuer auf die Bühne, die Lebendigkeit der Straßen Havannas und die Leidenschaft für die Musik, die dort allgegenwärtig zu sein scheint.
Das Losglück ist dem Publikum hold, an diesem besonderen Abend in der Harmonie. Gleich zu Beginn „Halt dich an meiner Liebe fest“ und „Mrs Robinson“, das muss man erst einmal ziehen. Immerhin befinden sich angeblich rund 120 Titel in dem Stoffbeutel, den Jan Plewka immer wieder in die Menge trägt, 120 aus insgesamt 372 Songs im Repertoire des Selig-Frontmanns und seines langjährigen Weggefährten Marco Schmedtje. Und dann schon am Anfang zwei Hits zum Mitsingen – das kann ja ein lustiger Abend werden. Wird es. Ein Fest für die Ohren, angefüllt mit Simon & Garfunkel, Ton Steine Scherben, Rio Reiser und Stücken aus Plewkas eigener Feder. Fast zweieinhalb Stunden Genuss, dank zweier exzellenter Musiker. Und einem Saal voller Glücksfeen.
Es geschieht nicht so oft, dass man bei der Geburt von potenziellen Superstars zugegen ist. Dass man also Bands erlebt, die noch in den Kinderschuhen stecken und denen man doch vom ersten Ton an zutraut, mit etwas Glück ganz nach oben zu kommen. Bands wie Rapture, die bislang zwar schon auf diversen Stadtfesten gespielt haben, aber noch ein Sprungbrett brauchen, um richtig durchstarten zu können. Was wiederum die neue Harmonie-Reihe „Next Generation“ ins Spiel bringt, die auf Initiative von Rock-Urgestein Wolf Fabian jungen Künstlern aus der Region eine professionelle Bühne bieten will, an der sie wachsen und reifen können.
Die Hölle, das ist der jeweils andere. Jener, von dem man abhängig ist, ohne den man selbst nichts ist. Nicht Ham, nicht Clov, aber irgendwie doch beide. Das verstörende und dysfunktionale Herr-Diener-Verhältnis zwischen diesen zwei seltsamen Figuren, der eine blind und gelähmt, der andere verkrüppelt und hungernd, hat Samuel Beckett in seinem Einakter „Endspiel“ ins Extrem getrieben – nun hat sich Regisseurin Gabriele Gysi dem Text angenommen und es im Euro Theater Central mit allerlei skurrilen Verschränkungen samt einiger Verbeugungen vor „Dinner for One“ inszeniert. In einer postapokalyptischen Welt halten Ham und Clov an letztlich überholten Ritualen fest, als nihilistische, sich selbst zerfleischende Versionen von Miss Sophie und Butler James gefangen in einem ewigen Kreislauf aus Macht und Demütigung, hohlen Phrasen und resignierter Ablehnung. Eine seltsame Kombination. Aber eine, die aufgeht.
Auch Fahrstühle haben ein Recht auf gute Musik! Musik mit ein bisschen Bewegung, seichter Melodie und eleganter Instrumentierung. Gut, zugegeben, das klingt jetzt ein wenig klischeehaft und wird den technisch überaus versierten Bandmitgliedern von Shakatak auch vielleicht nicht vollumfänglich gerecht – andererseits pflegt die britische Band nun einmal seit inzwischen 38 Jahren jene Art von Easy-Listening-Funk, der mit Vorliebe durch Aufzugschächte in der ganzen Welt schallt, lange nachdem er von moderneren Titeln aus den Diskotheken verdrängt wurde. Das ist besser als gar nicht gespielt zu werden, mag man nun behaupten, doch gerade Shakatak hat – bei allem Respekt vor den treuen Paternostern – doch ein wenig mehr verdient.
Es gibt sie noch, die Liedermacher mit Herz und Verstand, die nicht nur die Massen bespaßen wollen und von Feuerwerk, Sonnenschein und Herzschmerz singen, sondern die eine tiefergehende Botschaft haben. Sänger, die sich gegen Krieg und Gewalt positionieren und in die Fußstapfen von Wolf biermann, Franz Josef Degenhardt oder Konstantin Wecker treten, um mit ihrer Stimme ein Zeichen zu setzen, zu warnen und aufzurütteln. Beim nunmehr dritten Deutschen Friedenssong-Wettbewerb, den die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Bonn-Rhein-Sieg alle drei Jahre in der Harmonie ausrichtet, sind nun acht Bands und Solo-Künstler ausgezeichnet worden, die mit ihren Beiträgen die Welt ein bisschen besser machen wollen. Mit Liedern, die es wert sind, gehört zu werden.
An diesen beiden Kollegen muss Jochen Rüther einfach verzweifeln: Der bärbeißige Kabarettist versucht mit allen Mitteln, etwas ähnliches wie Ernsthaftigkeit auszustrahlen, will seriös mit den Geschehnissen des aktuellen Jahres abrechnen, will die Konzernhörigkeit der Politik anprangern oder den widersinnigen Kreislauf in der Landwirtschaft beim Anbau von Viehfutter, und dann grätschen ihm zwei Chaoten namens Harald Funke und Thomas Philipzen von scheinbar geringem Verstand permanent rein. Eine Krönungsmesse für Queen Merkel? Saruman als RWE-Chef, der den Hambacher Forst abholzen lässt, und zwar diesmal ohne Einmischung der Ents? Und dann noch der absurde Versuch, Beatrix von Storch begreifen zu wollen? Geht's noch?
Aufwachen! Aufblicken! Und Zuhören! Drei Imperative, die Omer Klein derzeit immer wieder in Richtung des Publikums wirft. Die Menschen sollten einfach etwas aufmerksamer sein und nicht ständig auf ihre Smartphones schauen, betont der 36-Jährige, der derzeit zu den aufregendsten israelischen Jazzpianisten zählt und mit seinem aktuellen Album „Sleepwalkers“ selbst beim Mediengiganten Warner für Aufsehen sorgt. Also Achtung – vor allem wenn er spielt. Andererseits ist es ohnehin kaum vorstellbar, dass jemand bei der Musik des Omer Klein Trios überhaupt schlafen kann; zu aufrüttelnd ist sie, zu energiegeladen, zu gut. In der Harmonie wechselten die Drei mühelos zwischen Latin-Nummern, Modern Jazz und orientalisch geprägten Nummern und sorgten so für ein kurzes, aber auch durchaus kurzweiliges Konzert auf höchstem Niveau.
Wenn die Welt keinen Sinn mehr zu ergeben scheint, erscheint Nonsens als die einzig noch mögliche Sprache. Nur sie spiegelt den Zerfall von Idealen und Normen wider, nur sie gibt eine Antwort auf den zunehmenden Egoismus von Mitmenschen, die einen absoluten Individualismus zur neuen Maxime erhoben haben und sich zugleich zu willigen Sklaven der Märkte machen. Ihnen allen rufen Ulan & Bator zu: „Mmmmmmmmm“. Oder auch: „Auf dem Mond, da gibt es Parkplatz ohne Ende.“ Was ja stimmt. Irgendwie. Wie einfach ließen sich doch manche Probleme lösen, wenn man mal ein bisschen neben der Spur denkt und den beiden Pudelmützenträgern zuhört, die mit ihrem inszenierten Wahnsinn einmal mehr im Pantheon zu Gast sind und selbigen geschickt mit Doppeldeutigkeiten spicken, mit der ein oder anderen tiefsinnigen Pointe und mit eindringlicher Kritik an der Macht der Konzerne. Man muss nur hinter die Maske des Nonsens schauen. Und sich selbst dem Dada ergeben.
Karnevalisten haben es in Zeiten wie diesen schwer. Wie will man denn lustig sein, wenn überall auf der Welt Spaßbremsen und Vollidioten an der Macht sind, die zu allem Überfluss auch noch die ganzen Stimmungslieder zweckentfremden? Nichts kann man mehr singen: „Wir kommen alle in den Himmel“ ist zur Hymne der Selbstmordattentäter verkommen, „Es ist noch Suppe da“ ist untragbar angesichts des Hungers in der Welt, und selbst das beliebte Hände-Lied der Kolibris, das auf keiner närrischen Feier fehlen darf, führt unweigerlich zu einem Bild, das an eine Massenhinrichtung erinnert. Kein Wunder also, dass Freddys Coverband desillusioniert ist. Nichts können sie mehr spielen, beklagen sie – und können doch froh sein, dass sie nur augenzwinkernde Fiktion sind, erschaffen vom Ensemble von Stunk Unplugged, das sich keinesfalls die gute Laune rauben lässt. Im Pantheon zeigen die Kölner nun, was in ihnen steckt, während sie einen Querschnitt durch ihre Programme der vergangenen Jahre präsentieren. Was mitunter überaus satirisch ist. Und dann wieder seltsam leer.
Ach ja, die Frauen. Was tut man nicht alles für sie. Umschwärmt sie, umgarnt sie, verführt sie, berührt sie – und stellt dann fest, dass sie mehr als nur einen Mann brauchen oder aber diesem schon aus Prinzip widersprechen. Davon kann so mancher ein Liedchen singen. In der Bonner Oper übernimmt dies Max Raabe, mit Freuden und mit einem Freund. Pianist Christoph Israel und der Sänger mit der unverkennbaren Schellackplattenstimme kennen sich schon seit der Jugend und gehen nur allzu gerne gemeinsam auf Tour, um den kecken Couplets und den zarten Schlagern der 20er und 30er Jahre neues Leben einzuhauchen. Was dann erklingt, ist Raabe pur, ganz ohne sein Palast Orchester und daher vielleicht nicht ganz so schmissig, dafür aber deutlich intensiver. Und ungeheuer unterhaltsam.
Fügsam soll die Frau sein, demütig und liebend. Ein braves Heimchen am Herd, das keine Widerworte gibt und ihrem Herrn und Meister zu Dienste ist. Diese misogyne Haltung hat über Jahrhunderte hinweg die Gesellschaft geprägt und sich immer wieder auch in der Literatur breit gemacht wie ein Krebsgeschwür – selbst bei William Shakespeare, der in „Der Widerspenstigen Zähmung“ seiner Katharina am Ende genau diese Worte in den Mund legt und sie damit ihrem Petrucchio unterwirft. Nicht ohne Grund gilt dieses Werk als Problemstück, das eigentlich jeder moderne Mensch, der sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf die Fahnen geschrieben hat, nur in einer gnadenlos augenzwinkernden Inszenierung akzeptieren kann. Gleiches gilt für Cole Porters Erfolgsmusical „Kiss Me, Kate“ (1948), das Shakespeares Komödie als Grundlage nimmt und ihr eine Rahmenhandlung verpasst. Genau dieses hat nun das Theater Bonn als Koproduktion mit dem Theater Dortmund in die Bundesstadt geholt – und dabei leider eine ironische Brechung vermissen lassen.
Wenn Emil Brandqvist und sein Trio spielen, klingen Schwedens Wälder mit, das Rauschen des Windes in den Wipfeln und der Gesang der Stare über den angrenzenden Feldern. Nur wenigen Jazz-Formationen gelingt es derzeit, einen lyrisch-poetischen Ton so mühelos zu treffen wie der 37-jährige Schlagzeuger und seine beiden virtuosen Kollegen, die mit ihrem vierten Album „Within A Dream“ einmal mehr unter Beweis stellen, dass man gemeinsam die schönsten Bilder malen kann. Zumindest in der Musik. Im Rahmen des Beethovenfests waren Brandqvist, Pianist Tuomas Turunen und Bassist Max Thornberg nun in der Harmonie zu erleben, wo sie zugleich die Konzert-Saison der Endenicher Kult-Kneipe eröffneten und mit subtilem Spiel ihrer nordischen Heimat Tribut zollten.
Eigentlich wollen sie ja nur spielen. Ihre Musik, neue Musik, die ihnen auf den Leib geschrieben wurde. Hankelmusik eben. So nennt sich das Sextett aus Dresden, das im Rahmen des Beethovenfests in die Post Tower Lounge eingeladen worden ist und die dort ihren Klangkosmos öffnen. Atmosphärisch wirkt er, szenisch, mitunter lyrisch – und doch letztlich überschaubar. Denn auch wenn das Ensemble aus exzellenten Musikern besteht, die punktuell ein ums andere Mal für Überraschungen sorgen und die Stücke vorübergehend aufblühen lassen, fehlt es doch an größeren Spannungsbögen, komplexeren Bildern und kompositorischer Relevanz.
Der Geist von Sir Neville Merrimer dürfte zufrieden gewesen sein: Das Konzert seiner Academy of St. Martin in the Fields im World Conference Center Bonn (WCCB) war – abgesehen von der jegliche Dynamik eindampfenden Akustik des Saals – ein Genuss ganz in seinem Sinne. Der wohlig-warme Klang hüllte das Publikum des Beethovenfests in eine samtig-weiche Blase ein und vermittelte einen hervorragenden Eindruck der Qualitäten des beliebten Londoner Orchesters, das seit dem Tod ihres Gründers weitgehend auf einen Dirigenten verzichtet und stattdessen von Musikdirektor Joshua Bell geleitet wird. Dieser war in Bonn zwar nicht mit dabei, dafür aber Konzertmeister Tomo Keller, der zusammen mit dem Star-Pianisten Kit Armstrong eine weitergehende Führung nur selten vermissen ließ. Dafür verstanden sich die Musiker einfach zu gut.
In diesem Haus ist nichts normal: Die adeligen Vermieter sind nicht nur pleite, sondern frönen auch einigen überaus skurrilen Hobbys, die ungleichen Zwillinge aus dem Hinterzimmer machen der attraktiven neuen Mitbewohnerin und dem Mädchen aus dem Bücherspeicher schöne Augen, kriegen aber ebenso wenig den Mund auf wie der schwedische Austausch-Student mit der leicht asozialen Ader, und der Butler jongliert mit Pömpeln, wenn er gerade nichts besseres zu tun hat. Keine Frage, die neue Show „Appartement“ im Bonner Varieté GOP kommt ziemlich schräg daher. Doch dank brillanter Clownerie, einem bemerkenswerten Ensemble-Spiel und einer durchgehenden Handlung erweist sie sich zugleich als ungeheuer unterhaltsam.
Drei unterschiedliche Medien, ein einstimmiges Urteil: „Kid A“ von Radiohead wurde 2009 sowohl von dem amerikanischen Musikmagazin „Rolling Stone“ als auch von der einflussreichen Musik-Webseite „Pitchfork“ und der britischen Tageszeitung „The Times“ zum besten Album der 2000er Jahre gewählt, und das, obwohl Kritiker bei der Veröffentlichung noch durchaus geteilter Meinung waren. Die elektronischen Klänge der Synthesizer und Drum-Computer, die verzerrten Streicher- und Bläsersätze und das allgemeine organisierte Chaos verstörte nicht wenige Fans, die sich einst zu dem gitarrenlastigen Rock der Formation um Mastermind Thom Yorke hingezogen fühlten – andererseits war das Ergebnis schlichtweg revolutionär.
Ab und zu muss jeder mal ausmisten, muss den alten Dreck loswerden, der sich über Jahre hinweg angesammelt hat und der zum Teil noch aus Großvaters Zeiten stammt. Da gilt es dann, alles neu zu bewerten, noch einmal ein paar Talare vom Muff zu befreien und die bräunlich schimmelnden Fundstücke aus der letzten Ecke im Sondermüll zu entsorgen. Das haben sich nun auch Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen alias Rainer Pause und Norbert Alich vorgenommen. Die beiden Chefchaoten des Pantheon nutzen ein dreifaches Jubiläum zum Herbstputz und nehmen 100 Jahre Russische Revolution (en passant), 100 Jahre Ende des Ersten Weltkriegs (weitaus ausführlicher) sowie 50 Jahre 68er-Bewegung (recht intensiv) zum Anlass, um einmal den Frieden zu feiern. Und die Bedrohung des selbigen durch allerlei böse Mächte zu kritisieren.
Mit dem Erfolg ist das so eine Sache: Die einen haben ihn, die anderen jagen ihn. Und für letzteres sind viele Künstler zu allem bereit. Die Bonner Band Valentine versucht nun in einer Mischung aus Schauspiel und Konzert, den richtigen Weg zum ersehnten Ziel zu finden – und scheitert dabei leider an den eigenen Beschränkungen. Denn dank einiger Intonationsschwächen vor allem bei Gitarrist und Sängern Kris Valentine sowie relativ herkömmlichen Arrangements stößt das Quintett schnell an seine Grenzen, wie ein Auftritt in der Pantheon-Lounge beweist.
Was kann man über ein Stück schreiben, dessen Handlung eigentlich ein Geheimnis ist? Ein Stück, das nur Eingeweihte wirklich verstehen und das doch bei jeder Aufführung neu ist? Ein Stück, das jeder Schauspieler nur ein einziges Mal aufführen kann, nämlich nur solange er ebenfalls zu den Unwissenden gehört? Was kann, soll und darf man über „Weißes Kaninchen, rotes Kaninchen“ schreiben?
Es sind wahrlich schicksalshafte Tage für Bonn und seine Kulturszene. Gerade erst hat Kämmerin Margarete Heidler die von der Bezirksregierung seit Jahren geforderten Einsparvorschläge aufgenommen und unter anderem Kürzungen beim Beethovenfest in Aussicht gestellt – und das unmittelbar vor der diesjährigen Eröffnung eines Festivals, das bereits die Weichen für das große Jubiläum 2020 stellen will. Die Politik überschlug sich daraufhin in dem Bemühen, die ungeteilte Unterstützung für die Kultur im Allgemeinen und das Beethovenfest im Besonderen zu betonen, auch beim Auftaktkonzert im World Conference Center Bonn (WCCB), dass das Orchestre Philharmonique de Radio France unter der Leitung von Mikko Franck gestaltete.
Der Abend erinnert an eine Wundertüte: Seit nunmehr vier Jahren gehen Simon & Jan, ihres Zeichens tiefenentspanntes Liedermacher-Duo mit zielgenauen Texten, regelmäßig mit ihren Lieblingen auf Tour, mit Kollegen also, die ihre Herzen im Sturm erobert und sich in selbigen dauerhaft eingenistet haben, und doch ist den beiden grundsätzlich nicht klar, was sie erwartet. Party? Ja, vielleicht. „Diese kleine Reihe hat inzwischen schon was von einer Klassenfahrt“, meint Jan im Pantheon – aber wenn, dann von einer sehr gemächlichen.
Die Musik ist flirrend, unbeständig und unvorhersehbar, mitunter brachial und dann wieder meditativ, irgendwo im Spannungsfeld zwischen Progressive Rock, Modern Jazz, Barock und Neuer Musik zu verordnen. Was Zymbalspieler Miklós Lukács mit seinem Trio im Rahmen des Haydn-Festivals im Schloss Augustusburg zum Besten gibt, ist für die Klassikliebhaber ohne Zweifel eine Herausforderung. Eine, die auch nicht dadurch leichter wird, dass sich der eigenwillige Klang des dominanten Hackbretts mit seinen ständig am Rand der Verstimmung schwingenden Saiten durch den Hall des Treppenhauses aufstaut und übereinander schichtet, bis ein differenziertes Hören vor allem in den zahlreichen lauten Passagen kaum noch möglich ist. Man muss sich fallen lassen, sich auf den modernen Jazz ungarischer Prägung einlassen, der das Publikum mitunter zu überrollen droht – dann jedoch ergeben sich einige bemerkenswerte Einsichten und vor allem die Chance, einige Melodien Haydns einmal ganz neu zu erleben.
Wo sind nur die lustigen, emanzipierten Frauen hin, die den Männern mit spitzer Zunge Kontra geben und in die Fußstapfen von Erika Mann oder Lore Lorentz treten wollen? Ja, es gibt sie, vereinzelt, man muss nur zu Christine Prayon, Anny Hartmann oder Lisa Eckart schauen, und auch Carolin Kebekus reiht sich trotz oder mitunter sogar wegen ihrer brachialen Zoten in die Aufzählung jener ein, die auf deutschen Kleinkunstbühnen für Furore sorgen. Doch ist das schon alles? Mitnichten, behauptet Deutschlandfunk-Moderatorin Daniela Mayer, die in ihrer Reihe „Querulantinnen“ Kabarettistinnen und Comediennes vorstellt und 27 von ihnen in einem gleichnamigen Buch zu Wort kommen lässt. Leider ja, müssen dagegen all jene sagen, die am vergangenen Donnerstag im Pantheon die dazugehörige Veranstaltung besuchten. Denn von den fünf Damen, die sich auf der Bühne präsentierten, war lediglich Dagmar Schönleber auf einem durchgehend hohen Niveau. Die anderen hatten mit Glück ein paar gute Momente – und waren im schlimmsten Fall nicht viel mehr als wandelnde Klischees.
Der Bass dröhnt unter schneidenden Gitarrenklängen, Lichtgewitter flackern über den KunstRasen und das Schlagzeug jagt alles an den Rand des Wahnsinns, während Fred Durst seine Rap-Passagen wie Gewehrsalven in Richtung Publikum abfeuert. Wenn Limp Bizkit auf der Bühne steht, wird es nun einmal brachial, so viel ist klar. Die Nu-Metal-Band aus Florida gestaltet an diesem Dienstagabend den Abschluss der diesjährigen KunstRasen-Saison, ziemlich genau 24 Stunden nach dem Auftritt von Supertramps Roger Hodgson, den das Quintett aus dem VIP-Bereich heraus mitbekommen hat.
Manche Musik ist einfach unsterblich. Oder zumindest so stark, dass sie einzelne Musiker noch über Jahre hinweg am Leben erhalten kann, auch wenn die ursprünglich erfolgreiche Band schon lange nicht mehr existiert. Auf dem Bonner KunstRasen waren jetzt zwei Künstler zu Gast, die genau davon zehrten: der ehemalige Dire-Straits-Bassist John Illsley sowie der Ex-Supertramp-Frontmann Roger Hodgson, zwei Meister ihres Fachs und doch so unterschiedlich in ihrer Ausstrahlung. Denn während Hodgson das Publikum mit auf eine spannende Zeitreise nahm und den Progressive-Pop-Hymnen auf charmante Art neues Leben einhauchte, blieb Illsley vor allem zu Beginn leider etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück und machte erst in der zweiten Konzerthälfte richtig Druck.
Es ist, als wäre es gestern gewesen. So, als hätte es nie eine Pause gegeben, eine Abwesenheit, eine Auszeit. Dennoch ist es bereits drei Jahre her, dass Max Herre zuletzt auf dem KunstRasen zu Gast war; elf Jahre seit der letzten Jubiläumstour des einstigen Hip-Hop-Vorzeige-Kollektivs Freundeskreis; und 21 Jahre seit dem Erfolgsalbum „Die Quadratur des Kreises“. Nun machen Sänger Herre, Produzent Don Philippe und DJ Friction genau da weiter, wo sie einst aufgehört haben und sorgen so für ein Déjà-vu der besonderen Art. Denn auch wenn Max Herre wie eh und je im Rampenlicht steht, machen seine FK-Kollegen doch den Unterschied zwischen der soullastigen Radio KAHEDI Show und der Rap-Retrospektive mit den wuchtigen Bässen, die an diesem Abend aus den Boxen schallt und das Publikum ohne Umwege zurück in die 90er katapultiert.
Die Mission ist klar: „Ich gehe hier erst wieder weg, wenn ein bisschen mehr Liebe in der Welt ist“, sagt Johannes Oerding. Was eigentlich schon eine Viertelstunde nach Beginn seines Konzerts auf dem Bonner KunstRasen der Fall ist. Gerade erst hat der Pop-Sänger die rund 2500 Besucher dazu aufgefordert, sich einander vorzustellen und dem Nachbarn doch mal Komplimente zu machen, da liegen sich schon einige Pärchen in den Armen. Pflicht erfüllt. Jetzt kann die Kür kommen. Was für Oerding in erster Linie bedeutet, sein Publikum zu harmonisieren und in einen Wohlfühl-Taumel zu stürzen, der gute anderthalb Stunden anhält. Viel braucht es dafür nicht. Ein bisschen „Oh, ho, ho – oh, ho, ho“ und die Fähigkeit, jedem Fan das Gefühl zu geben, dass die gesungenen Zeilen nur für ihn bestimmt seien. Schon ist die Menge selig. Und Oerding einmal mehr der Liebesbote.
Sommer, Sonne, guter Rock: Das Green Juice Festival hat auch 2018 wieder Tausende in das Wohngebiet zwischen die Bonner Stadtteile Beuel und Pützchen gelockt und zwei Tage lang Musik der etwas härteren Art präsentiert. Alles lief wie am Schnürchen, besser hätte es kaum laufen können. Für die Organisatoren eine durchaus befriedigende Situation, bleibt so doch die Hoffnung, dass das vergangene Jahr nur eine unangenehme Ausnahme war. Damals hatte pünktlich zur Jubiläumssause anlässlich des zehnten Geburtstags massiver Starkregen dazu geführt, dass der erste Tag des beliebten Bonner Festivals abgesagt beziehungsweise kurzerhand ins Brückenforum verlegt werden musste und ein Flurschaden im sechsstelligen Bereich entstand. Lange stand daher eine Neuauflage auf der Kippe – doch das Team um die Brüder Simon und Julian Reiniger haben nicht aufgegeben und es in diesem Jahr allen gezeigt. Starke Bands, treue Fans und ein optimaler Ablauf haben dafür gesorgt, dass das Green Juice kaum besser hätte laufen können. Die Wiederauferstehung ist somit geglückt. Jetzt muss sie nur noch anhalten.
Gute Laune bei tragischen Themen? Ja, in gewisser Weise ist das paradox. Wenn zu Liedern über die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer oder dem grassierenden Rechtspopulismus in ganz Europa ausgelassen gefeiert wird, könnte man sich schon fragen, ob das wirklich angemessen ist. Andererseits kann wirklich niemand auf die Idee kommen, dass Bukahara und Moop Mama es mit ihren Aussagen nicht ernst nehmen würden. Das Kölner Neofolk-Quartett und die Münchener Urban-Brass-Band sind einfach Formationen, die Haltung zeigen und ihre Botschaften unters Volk bringen, ohne dabei die moralinsaure Keule zu schwingen. Und das funktioniert. Sogar ausgezeichnet.
Schlaff ist er geworden, der Schwarze Stecher. Schlaff und ein bisschen dicklich. Das Batman-Kostüm passt nicht mehr so richtig und zieht auch niemanden mehr an, schon gar nicht den jungen, muskulösen Tiger auf der Karnevalsparty. Irgendwie fühlt Paul sich deswegen alt. Und ungeliebt. Vor allem aber nicht mehr begehrenswert. Und das mit 48. Ist doch noch kein Alter für einen virilen Homosexuellen wie ihn. Zumal der Kopf ja noch willig ist. Nur das Fleisch ist schwach. Der Grund liegt im Fluch der Andropause verborgen, den so genannten Wechseljahren des Mannes, die Paul zusetzen und die er in Ralf Königs aktuellem Buch „Herbst in der Hose“ zunächst verleugnet. Bis er sich schließlich seinen Dämonen stellen muss. Ob er will oder nicht.
Haltung zeigen oder Spaß haben: So richtig konnten sich die Fantastischen Vier nie entscheiden, welche Inhalte sie mit ihrem altgedienten Hip Hop unters Volk bringen wollten. Auf der einen Seite elegante Verse mit Tiefgang, auf der anderen Gute-Laune-Zeilen. Geht beides. So auch auf dem KunstRasen, wo die Fantas etwa 10.000 Besucher bis in die Ekstase und darüber hinaus wippen lassen. Schon seit Monaten ist das Konzert ausverkauft, es ist wahrscheinlich die erfolgreichste Veranstaltung in den vergangenen sieben Jahren. Und die Fantas sorgen dafür, dass es auch so bleibt. Kaum eine andere deutsche Band versteht sich so gut darauf, die Massen zu begeistern und sie in Bewegung zu versetzen, sie wippen und springen und tanzen zu lassen zu meisterhaft gereimten Texten zwischen Poesie und harmlosen Poser-Sprüchen. Heute ebenso wie vor beinahe 30 Jahren.
Die Leidenschaft ist noch immer ungebremst. Alanis Morissette ist vielleicht nicht mehr so wütend wie noch vor mehr als 20 Jahren, als sie mit ihrem Album „Jagged Little Pill“ ihren Protest in die Welt geschrien hat und damit zu einer wichtigen Stimme einer ganzen Generation wurde, aber ihre Songs kann sie immer noch mit dem gleichen Nachdruck singen wie damals in den 90ern. Auf dem Bonner KunstRasen sprüht die Kanadierin nur so vor Energie, ist ständig in Bewegung, wandert fröhlich von einem Ende der Bühne zum anderen und lässt ihre großen Hits dabei so unverbraucht klingen, dass viele Fans kurzfristig an eine Zeitreise glauben. Gut, die einst lange Mähne ist einer kecken Kurzhaarfrisur gewichen, aber stimmlich ist Alanis Morissette noch immer jener Wildfang mit dem einzigartigen, kraftvollen Organ. Und „Ironic“ funktioniert als augenzwinkernde Hymne an Murphys Gesetz noch immer hervorragend und wird vom Publikum ebenso begeistert mitgesungen wie „Hand In My Pocket“ oder „You Oughta Know“.
Alles ist im Fluss. Takt, Rhythmus, Stilistik, nichts ist bei Steven Wilson wirklich von Dauer. Die Unbeständigkeit ist sein Markenzeichen, dieser ständige Drang, sich neu zu erfinden und andere Wege zu beschreiten. Auf dem Bonner KunstRasen hat der Meister des Progressive Rock nun ein Konzert gegeben, in dem er sämtliche Aspekte seines künstlerischen Schaffens präsentierte, eine glitzernde Facette nach der anderen, bis dem Publikum angesichts der musikalischen Brillanz ganz ergriffen war. Und zumindest ein kleines bisschen verwirrt. Denn gerade wenn es glaubte, Steven Wilson verstanden und seine Sprache erschlossen zu haben, kam dieser mit neuen Spielereien um die Ecke – und steigerte den Hörgenuss weiter.
Andri ist verzweifelt. Alle sind offenbar gegen ihn, das Flüchtlingskind von „drüben“, den Fremden, den Ausländer: Die Andorraner, bei denen er aufgewachsen ist und die ihn doch stets als Außenseiter wahrgenommen haben, und auch die „Schwarzen“, zu denen einst seine Mutter gehörte und die irgendwann den vermeintlich so friedliebenden, aber gleichzeitig überaus rassistischen Staat Andorra einnehmen. Selbst die Familie scheint den Jungen nicht länger zu unterstützen, ebenso seine große Liebe, seine (Stief-)Schwester Barblin. Nur logisch also, dass Andri verletzt ist und rebelliert. Doch die studentische Schauspieltruppe „Mechthilds Schergen“ gibt dieser Hauptfigur aus Max Frisches berühmtem Drama „Andorra“ in ihrer im Pantheon gezeigten Inszenierung einen anderen Drall: Sie lässt ihn bockig wirken, beleidigt, eingeschnappt wie ein kleines Kind. Was dem Stück mit seiner leider immer noch aktuellen Thematik irgendwie nicht gerecht wird.
Hymnen der Liebe und der Freundschaft schallen über den KunstRasen. Das Leben ist ein Feuerwerk und der Soundtrack dazu der Wohlfühl-Pop von Wincent Weiss. Der 25-jährige Sonnyboy strahlt von der Bühne hinab in die Menge der jubelnden 4000, von denen gefühlt 90 Prozent weiblich und unter 18 sind, singt von großen Gefühlen und dem Gegenteil von Traurigkeit und versucht, selbst die härtesten Herzen zu erweichen. Wincent Weiss, der Retorten-Glücksbärchi des gefälligen Deutsch-Pops. Ein charmanter junger Mann, dem man einfach nicht böse sein kann, selbst nicht für seine Texte. Dafür ist er einfach zu nett. Und zu glatt, ohne Reibungsflächen, ohne Ecken und Kanten. Das Publikum liebt ihn gerade dafür – und feiert Weiss in der Gronau mit Jubelstürmen.
In der Aula der Universität Bonn proben die Tiere den Aufstand. Genauer gesagt die Hühner, die mit rhythmisch swingendem Gegacker ihrem Bauern die Stirn bieten und um etwas mehr Ruhe und Frieden bitten. Klingt absurd, ist aber ein herrlich musikalischer Spaß, bei dem sich der Jazzchor der Uni Bonn erfreulicherweise nicht ganz so ernst nimmt. Und fröhlich das indignierte Federvieh mimt. Das Vokalensemble, das zum ersten seiner insgesamt drei Semesterabschlusskonzerte eingeladen hat, ist bestens gelaunt, singt sich immer mehr frei und kommt dadurch immer mehr in jenen Modus, der für Jazz unabdingbar sein sollte – und der eben nicht selbstverständlich ist.
Es ist ein besonderer Abend für Barbara Dennerlein. Einer, der nicht alltäglich ist. Draußen spielen zu können, in der Natur und im Duett mit zwitschernden Vögeln, ist für die Königin der Hammondorgel keine Selbstverständlichkeit, dafür ist ihr Instrument schlichtweg zu unhandlich. Und wenn dann noch das Wetter mitspielt und zudem die Bühne in einer malerischen Kulisse wie der Klosterruine Heisterbach steht, bekommt selbst die welterfahrene Jazz-Musikerin eine Gänsehaut. Kein Wunder also, dass Dennerlein bestens gelaunt ist, während sie ihren Teil des Benefiz-Doppelkonzerts „From Jazz with Love“ für den Bunten Kreis Rheinland spielt. „Ich liebe es hier“, sagt sie und haut in die Tasten, dass es eine Freude ist. Ihre B3 surrt und schnurrt, jault und singt, die gesamte Bandbreite der Manuale auslotend und immer wieder neue Farben in die laue Sommerluft entlassend.
Die schöne Welt der Mode ist letztlich nur eine Illusion. Prêt-à-porter ist per se immer auch eine Überzeichnung der Wirklichkeit, zeigt im Licht des Artifiziellen das, was sein könnte, aber für den Alltag schlichtweg ungeeignet ist. Dieses Konzept hat sich nun auch das GOP Bonn zu eigen gemacht: Das Varietétheater kreiert mit seiner aktuellen Show „Fashion“ phantastische Bilder, zeigt atemberaubende Akrobatik und extravagante Kostüme, überflutet das Publikum geradezu mit optischen Reizen und verharrt doch stets in der Künstlichkeit. So verharrt das Publikum bei allem Staunen doch an der Oberfläche, taucht nicht ein in eine poetische, magische Welt, sondern bleibt distanzierter Beobachter einer auf Optik getrimmten Show. Was vielleicht sogar das Ziel des Ganzen ist.
Ein bisschen verrückt sind Mnozil Brass ja schon. Na gut, mehr als nur ein bisschen. Das Blas-Septett mit der Clown-Attitüde könnte man auch als völlig irre bezeichnen und läge damit noch nicht einmal falsch. Aber gerade das macht ja auch den Zauber der Band aus, die jetzt das Ende der aktuellen „Quatsch keine Oper“-Spielzeit mit einem herrlich schrägen Abend krönt, an dem Genie und Wahnsinn Hand in Hand über die Bühne schreiten. „Cirque“ hat das österreichische Ensemble ihr aktuelles Programm betitelt, und einen Zirkus bieten sie auch, samt Zauberer, dummem August, traurigem Pierrot und bissigem Tuba-Tiger. Ein Festival der Absurditäten, in dem die Chaotentruppe pantomimisch und musikalisch alle Register zieht und die ausverkaufte Oper immer wieder in kollektive Lachanfälle stürzt.