Frühling, Party und Reggae gehören zwangsläufig zusammen. Ein erwartungsvoller Hauch von Sommer liegt dann in der Luft, gesungene Freiheitshymnen und Liebesschwüre – und ein Möbelsong. Zumindest bei Gentleman, der mit groovenden Rhythmen und coolen Vibes das Telekom Forum aufmischt. Im Rahmen des „Over the Border“-Festivals ist der 44-Jährige nach Bonn gekommen, um sich für Diversität auszusprechen, für Respekt und für Musik ohne Grenzen. Auch in sprachlicher und thematischer Hinsicht. Immerhin arbeitet der wohl erfolgreichste Reggae-Musiker der Bundesrepublik, der als einer der wenigen auch in Jamaika große Erfolge feiern kann, erstmals in seiner 25-jährigen Bühnengeschichte an einem deutschsprachigen Album. In Bonn stellt er nun die ersten Titel vor, die eben auch von Möbeln handeln. Oder von Staubsaugern.
Wer lyrische Lieder liebt, also solche abseits des radiotauglichen Neo-Schlager-Pop-Gedudels, kommt an Alin Coen und Max Prosa nicht vorbei. Erwachsen aus den Kreativzonen des Internets, in denen mit minimalem Aufwand wunderbar nachdenkliche, mitunter kritische und immer poetische Songperlen entstehen, haben sich die beiden Musiker im Laufe der Jahre eine kleine, aber feine Fan-Basis zusammengesammelt, die mehr möchte als Feuerwerk, Wolke-7-Schmelz und Reise-Metaphern. Die charmante 37-Jährige, die man ob ihrer scheinbar so zerbrechlichen Stimme unweigerlich vor allem Übel beschützen möchte, und der Lockenkopf mit dem Impetus eines jungen Bob Dylan sind sich dabei schon des öfteren über den Weg gelaufen. Nur einen gemeinsamen Auftritt haben sie noch nicht realisiert. Bis jetzt.
16 Musiker, 13 Nationen, ein Ziel: Eine bessere Welt für alle, in der die Grenzen in den Köpfen der Menschen ebenso der Vergangenheit angehören wie die auf den Landkarten. Im Pantheon haben die Local Ambassadors bei einem „Over the Border“-Konzert für und in Zusammenarbeit mit der UNO-Flüchtlingshilfe und der Willi-Eichler-Akademie ein umjubeltes und um diverse Gäste erweitertes Konzert gegeben, das von Hip Hop bis Rock, von afrikanischem Ngoni-Spiel über brasilianische Rhythmen bis hin zu europäisch geprägtem Jazz alles umfasste. Doch bis die ersten Töne des multi-ethnischen Konsortiums um Perkussionist Roland Peil die ersten Töne spielen konnte, standen noch diverse andere Beiträge auf dem Programm. Und so wurde der Abend zwangsläufig lang. Sehr lang.
Gediegener Swing für feine Tanz-Tees? Kommt Botticelli Baby nicht in die Tüte. Das Septett, das am vergangenen Montag im Rahmen des Weltmusikfestivals „Over the Border“ in der Brotfabrik für Stimmung gesorgt hat, kann mit vielen Attributen belegt werden, „brav“ und „traditionell“ gehören allerdings nicht dazu. Man würde das Ensemble vielleicht eher als abgedreht bezeichnen, als rotzfrech und als vollkommen irre. Gnadenlos mischen sie Gypsy-Swing mit Balkan-Beats und einer ordentlichen Dosis Punk, bedienen sich in den 20er Jahren und zeigen doch zugleich dem so genannten Establishment den Mittelfinger. „Junk“ nennen sie das Ergebnis, als Verschmelzung von Jazz und eben Punk, doch auch die wörtliche Übersetzung als Müll ist durchaus gewollt. Dreckig soll die Musik sein, bissig, gegen alle Konventionen aufbegehrend. Also drehen Botticelli Baby einfach auf bis zum Anschlag – und treffen beim Bonner Publikum voll ins Schwarze.
Es war ein Abend der Kontraste: Im Rahmen des „Over the Border“-Festivals haben in der Brotfabrik ein Solo-Künstler und eine Bayern-Band zwei völlig gegensätzliche Stimmungen bedient und das Publikum erst in ein Tränenmeer zu stürzen versucht, bevor dieses dann die Gipfel der Glückseligkeit erstürmen durfte. Ein Konzept, das aufging. Und große Freude bereitete, selbst beim Auftritt von Jo Laureys, der eigentlich andere Akzente setzen wollte. „Genug gelacht, wir müssen jetzt traurig sein“, rief er augenzwinkernd in den Raum. Immerhin hatte der belgische Straßenmusiker ausschließlich melancholische Stücke im Repertoire, wehmütige Balladen mit schlichten, aber durchaus reizvollen Melodien. Stärkster Momente ist das Lied für seinen Vater, der starb, als Laureys 18 Jahre alt war. „Damals brach ich die Schule ab und machte nur noch Musik“, erinnerte er sich. „Aber acht Jahre lang konnte ich nicht über meinen Verlust schreiben. Bis jetzt.“
Jetzt wird aufgedreht: Zum Abschluss der aktuellen Crossroads-Staffel des WDR Rockpalasts wird es noch einmal so richtig laut. Und hart. Und gut. Sogar sehr gut. Die beiden Auftritte von The Lazys und The Weight sind ebenso brachial wie genial, druckvoll und doch viel mehr als der Versuch, mit aller Gewalt in die Gehörgänge des Publikums zu gelangen und dort ausgelassen auf die Trommelfelle einzudreschen. Das kann ja jeder. Doch die beiden Bands haben weitaus mehr zu bieten und sorgen so für ein phänomenales Finale mit genug Rock für ein ganzes Wochenende.
Die Vermischung ist das zentrale Element alles Kreolischen, ein Synonym für jenen Schmelztiegel aus europäischen und indigenen Einflüssen, aus Sprachen, Küchen und Kulturen, der während der
portugiesischen Kolonialzeit unter anderem auf den Kapverdischen Inseln und in Guinea-Bissau entstand und die beiden Staaten (ebenso wie einige andere) bis heute prägt. Herkunft spielte und
spielt in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle – jeder kann kreolisch werden, wenn er nur offen ist. Kein Wunder also, dass Veranstalter Manuel Banha ausgerechnet einen solchen Abend als
Auftakt seines „Over the Border“-Festivals auserkoren hat, mit dem er musikalische Grenzen überwinden und neue Impulse setzen möchte. Eine gute Entscheidung: Schneller hätte man das bunt
gemischte Publikum in der Bundeskunsthalle wohl kaum zusammenbringen können. Tanzend und singend genießt es ein Doppelkonzert der besonderen Art, bei dem Einflüsse aus aller Welt sich zu etwas
Eigenem verbinden, etwas Zauberhaftem und Schönem, von dem man einfach nicht genug bekommen kann.
Wer bereits mit zwölf Jahren von John Mayall auf die Bühne geholt wird und sowohl ihn als auch das Publikum mit seinem Gitarrenspiel begeistert, kann durchaus schon mal als Wunderkind bezeichnet werden. Diesem Status allerdings längerfristig gerecht zu werden, ist eine ganz andere Herausforderung. Krissy Matthews hat sie gemeistert. Der 26-Jährige ist längst in der Szene etabliert, nicht zuletzt als virtuoser Lead-Gitarrist bei der Hamburg Blues Band. Dort setzt er immer wieder Akzente – und bleibt doch hinter seinen Möglichkeiten zurück, wie sich jetzt beim Auftritt seines Trios im Rahmen des WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie herausstellte. Dort streifte Matthews nämlich sämtliche Zurückhaltung ab, drückte das Gaspedal bis zum nackten Asphalt durch und setzte mit seinem Konzert ein weithin sichtbares Zeichen für alle Rockfans, das vor allem eins aussagte: Mayall hatte recht.
Derart hohen Besuch hat der Rockpalast in seiner 45-jährigen Geschichte wahrscheinlich noch nie gehabt: Bei der aktuellen Ausgabe des viertägigen WDR Crossroads-Festivals, das alle sechs Monate in der Harmonie aufgezeichnet wird, stand am vergangenen Mittwoch mit J.P. Bimeni ein Künstler auf der Bühne, der den Titel „Soul-Prinz“ nicht nur ehrenhalber trägt. Immerhin ist der 41-Jährige Mitglied der Königsfamilie von Burundi – und zugleich jemand, der erst durch die Musik zu sich selber fand. Mit einer Stimme, die immer wieder zu Recht mit der von Otis Redding verglichen wird, die weich ist und zugleich kantig, stürzt er sich mit der spanischen Band The Black Belts in Soul-Kompositionen im besten Motown-Stil und setzt so einen Gegenpol zu seiner eigenen Geschichte, in der mehr Dunkelheit verborgen ist, als viele sich vorstellen können.
Die Bühne ruft, und Wolfgang Ambros folgt. Noch einmal will er sie besteigen, noch einmal nur, auch wenn der legendäre österreichische Musiker genau dies eigentlich nicht tun sollte. Zumindest nicht mehr. So bitter es auch klingt. Seit einigen Jahren muss Ambros gegen seinen Körper kämpfen, plagt sich mit schweren Rückenproblemen und immensen Schmerzen herum. Aber aufhören? Er? Das kann er nicht. Die Bühne war stets sein Leben, da lässt einer wie Ambros nicht von ab, obwohl sie inzwischen zu zu seinem ganz persönlichen Watzmann geworden ist. Auch die kann man schließlich bezwingen, mit eisernem Willen und frohem Mut.
Da steht sie also, die Hildegart. Die letzte einer langen Generation von Scholten-Frauen mit dem immer selben Vornamen und dem dezenten Kleidergeschmack einer altersschwachen Antilope. Beige ist eben in in dieser Landei-Familie – wer etwas wagen möchte, wählt stattdessen einen hellen Nougat-Ton. Und stellt sich auf die Bühne statt aufs Feld. So wie eben Hildegart, die als erste den heimischen Bauernhof verlassen hat und nun im Pantheon versucht, mit ihrem Soloprogramm „Grottenehrlich“ die weite Welt zu begeistern. Ein mutiger Plan, der aber durchaus Hoffnung auf Erfolg hat. Das Potenzial dazu hat die Dame nämlich durchaus. Jetzt müsste sie nur noch etwas zu erzählen haben. Und zwar mehr als nur Hofgeschichten.
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich trefflich streiten. Zumindest, so lange er ansatzweise vorhanden ist. Was leider nicht selbstverständlich ist. Wer aufgeschnittene Tomaten kurzerhand mit Fondor UND Maggi bestreut und sich dieses Glutamat-Monster anschließend genüsslich auf der Zunge zergehen lässt, muss schon im Vorfeld sämtliche Geschmacksknospen abgetötet haben oder aber eine ausgeprägte sadomasochistische Ader besitzen. Wer dieses Rezept allerdings auch noch unter dem Namen „Tomatenplatte á la Andi“ (ja, der Akzent muss falsch sein) ins Internet stellt, leidet wahrscheinlich unter enormer Selbstüberschätzung. Bitter für all jene, die sich davon inspirieren lassen – mit Ausnahme von Jonathan Löffelbein und Lukas Diestel. Die beiden Freiburger sammeln in ihrem Blog „Worst of Chefkoch“ nur zu gerne derartige kulinarische Grausamkeiten. Und kochen sie im Haus der Springmaus jetzt sogar nach.
Ihren Humor hat Gaby Köster nicht verloren. Ebenso wenig wie ihre Schnodderschauze. Elf Jahre nachdem ein Schlaganfall die Komikerin zu einer längeren Auszeit zwang, ist die 57-Jährige wieder auf Tour und macht zumindest sprachlich genau da weiter, wo sie aufgehört hat. Gnadenlos und burschikos, unverblümt im Ton und bildgewaltig im Ausdruck teilt Gaby Köster genüsslich gegen alles und jeden aus, der ihr quer kommt. Und das sind so einige: Donald Trump und Jens Spahn, Heidi Klum und Neffe Maurice sowie Taxifahrer, Dessousverkäuferinnen und die Klingelmännchen vom Paketdienst Hermes bekommen im Comeback-Solo „Sitcom“ ihr Fett weg, und zwar mit Nachdruck. Aber leider ohne die dafür nötige Dynamik.
Model, Basketballspieler, Comedian: Tan Caglar ist ohne Frage überaus aktiv. Ein Mann, der mitten im Leben steht. Beziehungsweise sitzt. Denn seit etwa 15 Jahren ist Caglar aufgrund einer Fehlbildung des Rückenmarks auf den Rollstuhl angewiesen. Doch aufhalten lässt sich der 38-Jährige davon nicht. Stattdessen erklimmt er mit Vorliebe die Bühne, wagt sich ins Rampenlicht und erweist sich als Vorbild für viele, ob mit oder ohne Behinderung. Respekt. Als Comedian hat er dabei aber noch einiges zu lernen, wie er jetzt bei seinem Auftritt im Pantheon bewies. Denn abgesehen von der Thematisierung diverser Klischees hat Caglar derzeit noch nicht viel im Programm. Und das ist auf Dauer einfach zu wenig.
Wenn das Ende der Welt naht, wird Sebastian Pufpaff vorbereitet sein. Baseballschläger, Dosen-Ravioli, Bier? Sind bereits jetzt in ausreichenden Mengen vorhanden und kommen bei einem Besuch der Zeugen Jehovas auch schon gelegentlich zum Einsatz. Die Frau ? Wird im Falle eines Falles schon irgendwo in Sicherheit sein, die Kinder auch, wenn sie nicht wieder angekettet am Kita-Zaun vergessen werden. Sollen die Zombies doch kommen, vor denen selbst das Pentagon und das Bundesinnenministerium warnt. Mit denen wird Pufpaff schon fertig.
Körper räkeln sich im Forum der Bundeskunsthalle in einer Parodie von Sinnlichkeit und Verlangen, mal entsexualisiert und dann wieder überzeichnet, gefangen in einer Abfolge von mehr oder weniger monotonen Bildern und gelenkt von vorgetragenen Wortfeldern, die zum Teil direkt dem Google-Algorithmus entnommen sein könnten. Such begriffe im Zusammenhang mit 18-Jährigen verbinden sich mit Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten zu einer Collage von Codes, denen Alexandra Bachzetsis in ihrem neuesten Stück „Escape Art“ eine vor Klischees strotzende Form gegeben hat. Am vergangenen Freitag war die Performance der Schweizer Choreographin und ihres Ensembles nun im Rahmen der Reihe „live arts“ in Bonn zu sehen.
Jeder Schöpfer ist für seine Schöpfung verantwortlich. Eigentlich ein nachvollziehbares Credo. Doch ausgerechnet Victor Frankenstein hat es zu ignorieren versucht. Er, der in einem Anflug von Größenwahn Gott selbst vom Thron stieß und die Schöpferkraft nur mit Hilfe seines Intellekts an sich riss, hat das von ihm zum Leben erweckte Wesen zurückgelassen, als es gerade seinen ersten Atemzug tat, hat sich abgewandt von der schrecklichen Gestalt, die er selbst aus Leichenteilen zusammenflickte und die er einst als seinen Adam ansah. Das hat tödliche Konsequenzen. Nun adaptiert das Euro Theater Central diesen weltberühmten Stoff für die Bühne – und muss feststellen, dass auch bei diesem Vorgehen nicht immer alles so Gestalt annimmt wie zunächst gedacht.
Eigentlich ist Norman Bates ein bemitleidenswertes Wesen. Ein schüchterner, impotenter Mann ohne Hoffnung auf mehr, ganz allein in einem Motel lebend, abgeschnitten von der Welt, ohne Verbindung zu irgendjemanden. Abgesehen von seiner boshaften Mutter. Und die ist schließlich tot. Kein Wunder, dass Bates ein wenig sonderlich ist. Gut, er ist auch ein eiskalter Killer, der junge Frauen mit einem Schlachtermesser unter der Dusche zerstückelt – aber letztlich ist er mindestens ebenso sehr Opfer wie Täter. Zumindest erhalten all jene diesen Eindruck, die bei der „Psycho“-Lesung von Matthias Brandt und Jens Thomas in der Bonner Oper zugegen waren. Das kongeniale Duo, das in der Vergangenheit unter anderem schon mit einer Variante der „Vögel“ zu Gast war und vor inzwischen fünf Jahren auch dieses Programm schon einmal präsentiert hat, führt sein Publikum am Karnevalssonntag ohne Umwege in den Kopf von Alfred Hitchcocks berühmter Figur, lässt die Stimmen lebendig werden und verleiht Bates eine Komplexität, die er selbst im Film niemals erreicht.
Kraftvoll, dynamisch, energiegeladen: So muss Rock ein. Mit Vollgas und Leidenschaft in den Exzess, ohne Abstriche und Kompromisse. Die Artisten der aktuellen Bonner GOP-Show „Rockstar“ haben dieses Prinzip verinnerlicht. Selbst Jerry. Der schmächtige Lakai, der nach Aussage der beiden Moderatoren Stefan Erz und Hans von Chelius alias Akascht eigentlich nur als Roadie eingeteilt ist und zumindest am Anfang auch brav Mikrofonständer und andere Requisiten auf die Bühne trägt, ist in der Tiefe seines Herzens ein echter Rebell. Und ein Frauenheld. Und ein Biker. Und der eigentliche Mittelpunkt eines Varietéprogramms, das zumindest akrobatisch voll durchstartet.
Knackig könnte man den Sound beschreiben, der an diesem Donnerstag in der Harmonie vorherrscht. Knackig, staubtrocken und dennoch permanent nach vorne treibend. Kurzum Rhythm and Blues in Perfektion, schörkellos, druckvoll – und dänisch. Verantwortlich für diese grandiose Musik ist schließlich niemand anderer als Thorbjørn Risager, der mit seiner Band The Black Tornado längst Stammgast in Endenich ist und doch jedes Mal aufs Neue zu begeistern und zu überraschen versteht. Mit einer Wucht irgendwo zwischen Dampflok und Wirbelsturm jagt das Septett seit einigen Jahren durch die Republik, spielt Rock, Blues, Boogie und das alles mit einer Spielfreude, dass es das Publikum ein ums andere Mal aus den Socken haut.
Das Italo-Pop-Universum glüht. Lichtfinger tanzen durch die Lanxess Arena, verbinden sich mitunter zu Laserflächen oder illuminieren hauchdünne Perlenvorhänge vor einer Bühne, die von einer geschwungenen, an einen Wasserfall erinnernden Videowand beherrscht wird. Dort leuchtet der Kosmos in seiner ganzen Pracht, Sterne über Sterne – und davor ein Star der besonderen Art. Kein geringerer als Eros Ramazzotti ist im Rahmen seiner „Vita Ce N'è“-Tour nach Köln gekommen, um sein opulentes Gesamtwerk vor seinen treuen Fans auszubreiten, und dabei macht er keine halben Sachen. Mit einer riesigen Show zelebriert der legendäre Sänger sein neues Album sowie seine alten Hits, zieht alle Register und mimt die großen Gefühle, die man von ihm erwartet. Professionell eben. Atemberaubend. Und abgeklärt.
Die Menge hat die Wahl: Zuhören oder tanzen? Unbequeme Wahrheiten hören oder sich zu hypnotischen Beats in Trance wiegen? Beides ist möglich an diesem Abend im Carlswerk Viktoria, der neuesten Halle im Kölner Osten in unmittelbarer Nähe von Palladium und E-Werk. Und wenn es nach Neneh Cherry geht, sollte das Publikum auch beides machen, selbst wenn das nicht immer einfach ist angesichts teils massiver Bässe und wabernder Klänge, die geradezu einladen, sich fallen zu lassen und die traurige Realität zumindest für ein oder zwei Stunden zu vergessen. Andererseits war und ist das nicht im Sinne Cherrys: Die 54-Jährige hatte stets etwas zu sagen, bewies Haltung und prangerte all jene an, die ihre Menschlichkeit dem Kommerz opferten. Bis heute gilt sie als das gute Gewissen der Pop-Musik, als eine, die nie aufhört sich zu engagieren. Nun, fünf Jahre nach ihrem Comeback, ist sie gesellschaftskritischer denn je – und nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um ihre Botschaft zu transportieren. Inklusive treibender Industrial-Rhythmen.
Was hätte passieren können, wenn Felix Lobrecht nicht nach Bonn gekommen wäre? Der Comedy-Shooting-Star, der derzeit eine 1000er-Halle nach der nächsten ausverkauft, spielt das Szenario in seinem aktuellen Programm „Hype“ gerne mal selber durch. Das Ergebnis: mehrere schreiende Babys, entsetzte Gesichter und sieben Tote nach einer Massenpanik. Ja klar. Weitaus wahrscheinlicher hätte es lediglich dazu geführt, dass das Pantheon an zwei aufeinanderfolgenden Abenden nicht von einer Horde junger kreischender Menschen bevölkert gewesen wäre, die sich über die Proll-Sprüche Lobrechts kaputtlachen und jede Grenzüberschreitung feiern wie einen Sieg beim Grand Prix. Nur bringt der Konjunktiv in diesem Fall nichts. Lobrecht ist ja da. Und bringt seine Fans von der ersten Sekunde an auf Touren.
„Wadde hadde dudde da?“ Im Zweifel einen Raab. Stefan Raab. Der 52-jährige Entertainer und ehemalige „TV Total“-Moderator ist in der Öffentlichkeit kaum noch sichtbar, seit er 2015 seine Karriere vor der Kamera offiziell beendete und fast nur noch als Produzent agiert. Doch einer Anfrage von Max Mutzke, der inzwischen regelmäßig mit verschiedenen Überraschungsgästen nach Bonn kommt, konnte der Pausenclown (und Innovator) des deutschen Fernsehens einfach nicht widerstehen. Obwohl Mutzke nur Minuten zuvor noch versprochen hatte, den Metzger seines Vertrauens nicht einzuladen, tauchte Raab am vergangenen Samstag zur Freude des Publikums auf der Opernbühne auf, herumalbernd wie eh und je – und zugleich ein musikalischer Tausendsassa, der so viel mehr könnte. Wenn ihm sein eigener Quatsch nicht mitunter im Wege stehen würde.
Özgür Cebe hat es nicht leicht. Einst Haupt-, später Waldorfschüler, aufgewachsen in Tannenbusch, aber geboren in eine aufgeklärte linksliberale Familie. Von sich selbst sagt er, ein Intellektueller im Körper eines Assis zu sein, den hochtrabenden Faust ebenso zu verkörpern wie den Gangsta-Mephisto. In seinem Programm „Ghettos Faust“, mit dem er jetzt im Haus der Springmaus zu Gast war, versucht der 44-Jährige nun, diese beiden Seelen miteinander in Einklang zu bringen. Was zwar insofern nicht gelingt, als der Prolet kaum zu Wort kommt, dafür aber einen Abend bietet, der geschickt auf der Grenzen zwischen Stand-Up-Comedy und gesellschaftskritischem Kabarett wandert.
Manchmal reicht ein Ermittler allein nicht aus. Schon gar nicht, wenn der Fall interessant werden soll. Oder schreiend komisch. Selbst Sherlock Holmes ist nicht gefeit vor derartigen Webmustern des Schicksals beziehungsweise des Vollplaybacktheaters (VPT), das seit mehr als 20 Jahren genüsslich allerlei Hörspiele durch den Kakao zieht und sich nun erstmals dem Meisterdetektiv zuwendet. Der stößt bei dem Fall um den ominösen Hund der Baskervilles auf einige unerklärliche Phänomene und bittet einen Experten des Übernatürlichen um Hilfe: Geisterjäger John Sinclair. Gemeinsam rufen sie die Liga der außergewöhnlichen Detektive ins Leben – und sorgen so für allerlei skurrile Szenen, die entweder von selbst zueinander passen oder eben passend gemacht werden. Ein Fest der Persiflage, bei dem niemand verschont wird und die auch in Bonn einmal mehr für Furore sorgt. Zumal alle Figuren letztlich mit ihren eigenen Worten geschlagen werden.
Drei exzellente Frauenstimmen gemeinsam auf einer Bühne, wild rockend und herrlich vielfältig klingend: Diese Zusammenstellung ist typisch für die Blues Caravan. Seit Jahren bringt die Reihe von Organisator Thomas Ruf starke, aufstrebende Künstlerinnen (und gelegentlich auch Künstler) zusammen, häufig als Sprungbrett für Solo-Karrieren dienend. Samantha Fish hat ebenso davon profitiert wie Ana Popovic, jetzt versuchen Katarina Pejak, Ally Venable und die inzwischen schon etablierte Ina Forsman, die Chance ebenfalls zu nutzen. Was ihnen zumindest bei ihrem Auftritt in der Harmonie Bonn durchaus gelingt. Das Trio kann sich ohne Frage sehen und hören lassen, kann rocken, kann grooven und kann alle Farben des Blues bedienen. Und auch wenn zumindest zwei der Musikerinnen noch ein wenig reifen können, ist das enorme Potenzial doch in jeder Sekunde sichtbar.
Leuchtblüten ranken sich um die Mikrofonständer auf der Bühne der Harmonie, warm im Licht und zugleich ein klein wenig kitschig. Passt zu Mrs. Greenbird. Das Kölner Singer-Songwriter-Duo, das erstmals seit drei Jahren wieder den Weg nach Bonn gefunden hat und das Publikum für gut anderthalb Stunden in sein gemütliches Nischenuniversum einlädt, hat ein Faible für derartige Spielereien, die eine besondere Atmosphäre schaffen, gemütlich und romantisch, ohne dabei aber so artifiziell zu wirken wie ein halbes Kilo rosa Zuckerguss oder so manches Prinzessinnenkleid. Das wäre dann wahrscheinlich selbst dem charmanten Pärchen zuviel. Lieber ein bisschen weniger, dafür aber authentischer. Mit diesem Ansatz gelingt es dem Duo mühelos, alle im Saal in seinen Bann zu ziehen und sowohl mit alten als auch mit neuen Songs zu verzaubern. Einfach reicht. Zumindest meistens.
Irgendwann ist alles gesagt. Zumindest alles, was es wert ist, gesagt zu werden. Seit mehr als 40 Jahren schreibt die Oysterband ihre Lieder zu allen möglichen Themen, bezieht auch gerne mal politisch Stellung und ist inzwischen an dem Punkt angekommen, an denen die Worte knapp werden. „Immer wenn etwas auf der Welt passiert, stellen wir fest, dass wir dazu bereits einen Song geschrieben haben“, scherzt der Frontmann der Folkrocker, John Jones, jetzt beim Konzert in der Harmonie. Zumindest bleibt die Musik der Briten somit aktuell. Und notfalls wird eben ein Stück wie „All That Way For This“ umgewidmet und kurzerhand als Kommentar zum Brexit neu aufgelegt. Denn schweigen will die Oysterband keinesfalls. Sehr zur Freude ihrer Fans.
Die Wahrheit ist alles, was zählt. Natürlich nicht irgendeine Wahrheit, das ist ja klar. Sondern einzig die von Marco (Ingolf Lück), dem Protagonisten des Monologs „Seite Eins“. Alles andere wäre langweilig, und langweilige Wahrheiten verkaufen nun einmal keine Zeitungen. Im Notfall müssen sie also aufgepeppt werden, ummantelt und mit einer ordentlichen Dosis Pepp versehen, um den Wünschen und Sehnsüchten der sensationsgeilen Leser gerecht zu werden und ihnen zu signalisieren, dass sie mit ihren Vorstellungen recht haben. Wenn dazu der ein oder andere Bestandteil der Story ein wenig an der Realität vorbeigehen muss, ist das doch auch egal. Zumindest Marco, dem versierten Boulevard-Journalisten und virtuosen Metzger der Fakten, der diese genüsslich durch den Fleischwolf dreht und sie in metaphorischen Kunstdarm presst. Bis ihm eine seiner Titelgeschichten um die Ohren fliegt.
Der berühmte Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke hat einst im dritten der nach ihm benannten Gesetze postuliert, dass „jede hinreichend fortschrittliche Technologie“ von Magie nicht zu unterscheiden sei. So weit ist die Menschheit auch im 21. Jahrhundert noch lange nicht – doch Cody Stone versucht zumindest, eine entsprechende Illusion zu schaffen. Der junge Zauberkünstler aus Hannover widmet sich in seiner Show dem Zusammenspiel von Suggestion, Fingerfertigkeit und mehr oder weniger nützlichen Gadgets, um sein Publikum zu verblüffen. Im Haus der Springmaus führt er unter anderem einen Selfie-Stick durch einen Spiegel, nutzt mechanische Katzenohren zur Gedankenübertragung und verleiht sogar Alexa die Gabe der Telepathie. Nette Tricks. Wenn auch mitunter sehr durchschaubar.
Es ist ein Duett der besonderen Art: Wilde Gitarrenklänge schlingen sich in- und umeinander, ergänzen und vereinen sich, ein energiegeladener Tanz zwischen Folk und Rock, kraftvoll und elegant zugleich. Seit beinahe 50 Jahren ist diese Zweistimmigkeit das Markenzeichen von Wishbone Ash, mit der sie Bands wie „Thin Lizzy“, „Judas Priest“ und „Iron Maiden“ beeinflussten. Jetzt sind die Veteranen um Frontmann Andy Powell erneut in die ausverkaufte Harmonie gekommen, um in Erinnerungen zu schwelgen und einige epische Klassiker inklusive des beliebten „Phoenix“ aus der glühenden Asche auferstehen zu lassen. Was für das Quartett eine ihrer leichtesten Übungen ist.
Mittelaltermärkte in rund 28.000 Klein- und Mittelstädten, eine mittlere Positionen bei der Digitalisierung und diverse minderbemittelte Hip-Hop-Künstler mit Endreim-Mängeln: Das ist Deutschland. Zumindest laut Rainald Grebe, der seine Heimat auf Bitten des Goethe-Instituts auch mal im Ausland vertritt. Und wie bei so vielem, was der leidenschaftliche Dadaist und Kabarettist erzählt, mischt sich auch hier Wahrheit und Fiktion, Realität und Wahnsinn. 2016, so die Legende, sei Grebe sogar an die Elfenbeinküste eingeladen worden, wo ihn unter anderem ein afrikanischer Chor mit deutschem Liedgut erwartete. Für seine Vermittlungsarbeit tauchte Grebe daher in die Abgründe der deutschen Seele ein – und präsentiert seine Ergebnisse seit nunmehr drei Jahren in Form seines „Elfenbeinkonzerts“, so wie jetzt auch in der Bonner Oper.
Das Idyll ist zerbrochen. Der Wald im Hintergrund der Bühne des Theater Koblenz ist verdorrt und verbrannt, die bezaubernde Naturwelt der romantischen Oper zum Zerrbild ihrer selbst geworden, ebenso wie der Zirkus im Zentrum, in dem längst das Groteske das Wunderbare verdrängt hat. Es ist die perfekte Manege für „The Black Rider“, dieser verdrehten Version der „Freischütz“-Geschichte. Das düster-makabre Werk von Star-Regisseur Robert Wilson, Beat-Genereation-Legende William S. Burroughs und dem exzentrischen Musiker Tom Waits, dem Poeten der Verfremdung, fordert einen derartigen Ansatz geradezu. Immerhin sind sämtliche Figuren des Musicals gebrochen, haben zumindest seelisch Schaden genommen – und die schrägen Kompositionen, die sich ebenso aus dem Vaudeville speisen wie aus Rock, Blues und den einst Kurt Weill perfektionierten süßen Melodien zu unangenehmen Wahrheiten, greifen diesen Aspekt permanent auf. Normal ist hier nichts. Und so hat Regisseurin Anja Nicklich allerlei seltsame Gestalten ins Rampenlicht geholt, die ohne weiteres aus der vierten Staffel der „American Horror Story“ stammen könnten. „Send in the Freaks“ als Motto des Abends. Applaus, Applaus.
Eigentlich ist er eine Legende: Weltweit gilt Sherlock Holmes als der größte Detektiv der Kriminalliteratur, als Musterbeispiel für den Sieg des Verstandes über das Gefühl und als Großmeister der Logik. Kein Geheimnis war vor ihm sicher, kein Rätsel für ihn zu schwer und kein Komplott zu komplex. Er war alles, nur niemals Mittelmaß. Bis heute. Ausgerechnet „Das Sherlock Musical“ von Alan Wilkinson und Steve Nobles reduziert das Genie zu einer herumstolpernden Randfigur, die höchstens noch ein Schatten ihrer selbst ist. Im Pantheon hat die Produktion des Urania-Theaters um Bettina Montazem nun ihren ersten Auswärtstermin absolviert, nachdem sie im Kölner Stammhaus seit November fast durchgehend ausverkauft war. Warum auch immer. Denn trotz einiger durchaus hörenswerter Songs und einer stimmlich zum Teil sehr starken Cast fehlt dem Musical schlichtweg die Seele und der Geist. Und das rächt sich.
Egal, wie alt man auch ist, für die eigenen Eltern bleibt man doch immer ihr Kind. Und zwar eines, das ohne die guten Ratschläge von Mama und Papa kaum überlebensfähig ist. „Fahr vorsichtig“, „zieh dir was Warmes an“ oder auch „ich würde da ja Schinken reinschneiden“ – so etwas muss man auch erst mal gesagt bekommen, selbst wenn man bereits 37 ist und sich als Autor in Berlin durchschlägt. Vielleicht gerade deshalb. Auf jeden Fall kann sich Sebastian Lehmann nicht über mangelnde parentale Aufmerksamkeit beschweren. Im Pantheon liest der erfolgreiche Poetry Slammer und Schriftsteller daher aus den gesammelten Telefonaten mit seinen Eltern vor, an denen er verzweifelt und die doch so ungeheuer unterhaltsam sind, dass das Publikum aus dem Lachen kaum herauskommt.
Kinder sind wirklich eine Plage: Wer eine Lese- und Rechtschreibschwäche hat, ist angesichts der ganzen jungen ADHS-, Borderliner- und Schizophrenie-Patienten noch relativ normal, und wer im Unterricht mehr als ein unwissendes „Häh“ von saich zu geben vermag, gilt gleich mal als hochbegabt. Als Lehrer hat man es somit schwer – und als Erzieher kann man schlichtweg verzweifeln. Oder Comedian werden. Das hat sich zumindest Yves Macak gedacht, der neben einer 35-Stunden-Woche an einer Berliner Grundschule immer wieder auf die Kleinkunstbühnen der Republik stürmt und seinem Publikum die Horror-Geschichten aus seinem Alltag erzählt, in denen der zu betreuende Nachwuchs noch am besten wegkommt. Denn Klischee-Kollegen und vor allem die Eltern sind weitaus schlimmer.
Don Clarke ist das, was man allgemein einen Genussmenschen nennen würde. Einer, der gerne mal das ein oder andere Bierchen trinkt und mit mindestens ebenso viel Gusto in die Imbissbude geht, um dort alles aufzukaufen, was nicht niet- und nagelfest ist. Schließlich, so führt der Stand-Up-Comedian im Haus der Springmaus aus, kriegt man so ziemlich alles runter, wenn an es nur tief genug in Mayonnaise oder Senf versenkt. Selbst Rauchfaser. Besser als jede Bulette und mindestens genau so nahrhaft. Im Gegensatz zu Pute, deren Fleisch für Clarkes Gaumen genau so schmeckt wie das Tier aussieht. Womit erwiesen wäre, dass die kulinarische Expertise des Engländers noch weniger ausgeprägt ist als seine humoristische.
Der Star des Abends ist die Nasenflöte. Nicht der gutmütige Jörg „Spike“ Hamers am Bass, ebenso wenig der liebevoll-bösartige Gitarrist Marc „Mary“ Leymann, der sich gerne mal über das Publikum in der Harmonie beschwert, und erst recht nicht Pasquale Aleardi. Nein, dieser Abend gehört der Nasenflöte. Es ist das Lieblingsinstrument des beliebten Schauspielers, der vielen vor allem als Kommissar Dupin bekannt sein dürfte, ein unscheinbares Ding und doch nach Aussage Aleardis das beste Mittel gegen schlechte Stimmung, abgesehen vielleicht von einem guten James-Brown-Song. Insofern ist es nur konsequent, dass der 48-Jährige es immer wieder ins Rampenlicht bringt. Und dazwischen mit bester Anti-Depressionsmusik einen wunderbaren Abend bereitet.
Ist das Kunst oder kann das weg? Diese Frage wird Micha Marx häufiger mal gestellt. Immerhin werden seine Werke gerne mal als Kritzelei abgetan, zu allererst vom Künstler selbst. Die krakeligen Skizzen von Figuren mit meterlangen Armen sind nicht gerade das, was die meisten Menschen als ästhetisch und schön bezeichnen würden. Immerhin sind sie billig, was den Schwaben in Micha Marx durchaus freut, und ohnehin sind die Kritzel-Comics nur Mittel zum Zweck. Mit ihnen illustriert der Wahl-Bonner seine abstrusen Geschichten, vorzugsweise aus seiner traumatischen Kindheit im Ländle. Was mitunter sogar besser funktioniert als erwartet.
In der chinesischen Astrologie werden Schweine besonders geschätzt. Sie symbolisieren Glück, Reichtum und Zufriedenheit, verstehen es zu feiern und zu teilen, sind treu und überaus hilfsbereit. Nun hat das Suzhou Chinese Orchestra in der Bonner Oper den bevorstehenden Übergang in das Jahr des Erd-Schweins, das am 5. Februar beginnt, mit einem bemerkenswerten Konzert gefeiert. Zeitgenössische Kompositionen und traditionelle Melodien aus dem Reich der Mitte boten einen Einblick in eine zum Teil fremde Kultur voller Schönheit, Anmut, Dynamik und Kraft und gossen ein Feuerwerk der Emotionen in ebenso exotische wie faszinierende Töne.
A-cappella-Musik hat in Bonn einen besonderen Stellenwert. Sowohl das Pantheon als auch das Haus der Springmaus laden seit Jahren immer wieder erstklassige Vokal-Ensembles ein, und mit Bonn Voice, dem Bonner Jazzchor sowie dem Jazzchor der Uni Bonn verfügt die Bundesstadt selbst über drei ausgezeichnete Gesangsformationen auf hohem Niveau. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Gipfeltreffen einige der Protagonisten zusammenbringen würde. Nun haben die Springmäuse in der Aula der Uni erstmals ein Comedy-Duo, Lokalmatadore und ein Weltklasse-Quintett präsentiert – und damit den Saal zum Beben gebracht.
Jedes Jahr im Januar kommt die Hamburg Blues Band in die Harmonie, stets mit einer ordentlichen Dosis Rock, exzellenter Laune und herausragenden Gaststars im Gepäck. Chris Farlowe hat schon mit der Formation um Frontmann Gert Lange gesungen, Arthur Brown auch, Clem Clempson sowieso. Am vergangenen Donnerstag durfte Maggie Bell wieder ran, die schottische „Queen of Bluesrock“ – und Pete Brown, der einst zusammen mit Jack Bruce Cream-Hits wie „White Room“ und „Sunshine Of Your Love“ schrieb. Vor allem der zweite Teil des Konzerts wurde so zu einem Erlebnis der besonderen Art, bei dem ein Höhepunkt den nächsten jagte und das Publikum immer weiter in die Ekstase trieb.
Ohne Hölle ist das Leben fad. Langweilig. Kurzum, nicht länger lebenswert. Denn ohne die drohende jenseitige Bestrafung kann es auch keine Sünden mehr geben, mit denen man kokettieren kann, keine Verlockungen des Verbotenen mehr, kein verführerisches Laster und keine Lust. Insbesondere dann, wenn sie zu Tugenden erklärt und von der Industrie hoffähig gemacht werden. Wenn All-You-Can-Eat-Buffets der Völlerei huldigen, Home-Office und Home-Shopping die Trägheit befördern und sogar der heilige Zorn zur Zimperlichkeit verkommt, läuft irgendetwas grundlegend falsch. Zeit, diese Missstände wieder gerade zu rücken. Zeit für Lisa Eckhart.
Kabarettisten haben es heutzutage wirklich schwer. Die Realität ist oft absurder als die Fiktion und verweigert sich jeglicher Überzeichnung, während gleichzeitig das Publikum immer dünnhäutiger und skeptischer wird. Meint der das jetzt ernst? Diese Frage wird mittlerweile häufiger gestellt. Insofern geht Tobias Mann bei der 101. Ausgabe des WDR Kabarettfests im Pantheon lieber auf Nummer sicher. „Teile des heutigen Programms könnten Ironie enthalten“, warnt der Moderator. Und Witz, müsste man ergänzen. Nur schade, dass diese Aussage nicht für den gesamten Abend gilt.
Manchmal können Casting-Shows tatsächlich Talente fördern. Oder zumindest Bands auf gute Sänger aufmerksam machen. Schon in der Vergangenheit hatten sich etwa Sven Hammond bei der sechsten Staffel von „The Voice of Holland“ bedient und mit Ivan Peroti eine Stimme gefunden – nun haben sie als seinen Nachfolger ausgerechnet den einstigen Show-Konkurrenten Jared Grant gewinnen können. Und der könnte sich als echter Glücksgriff erweisen. In der Harmonie setzt der Strahlemann mit dem Wuschelkopf und der Seele von mindestens einem Mitglied der Temptations auf jeden Fall Unmengen von Glückshormonen frei, während er die ungewöhnliche Musik der Band bereichert.
Wenn der Bonner Jazzchor auftritt, sind ungläubig staunende und bewundernde Gesichter im Publikum keine Seltenheit. Das Ensemble hat sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem der besten Chöre Nordrhein-Westfalens gemausert und verfügt vor allem über jene Lässigkeit und Leichtigkeit, die für Jazz und Pop gleichermaßen essentiell ist. Am vergangenen Samstag hatten die Lokalmatadore nun gemeinsam mit dem dänischen Quintett Postyr zu einem Workshop mit anschließendem Konzert eingeladen – und damit einen enormen Erfolg feiern können. Rund 100 Teilnehmer hatten sich angemeldet, um insgesamt drei Stücke zu erarbeiten. „Die waren alle super vorbereitet“, gestanden einige Chormitglieder später. Und so war es ein leichtes, die nicht ganz einfachen Arrangements souverän umzusetzen.
Wenn Sven Bensmann singt, wird er gut. Richtig gut. Der Hüne, der sich selbst gerne als 120-Kilo-Etertainment-Haubitze bezeichnet und wie ein tapsiger Bär mit immensem Mitteilungsbedürfnis wirkt, ist eine röhrende Rampensau mit jeder Menge Power und einer erstaunlich vielseitigen Stimme, die ihn zu weitaus mehr befähigt als der „Ulkmusik“ mit einer Gitarre aus dem Happy Meal. Nicht, dass diese Songs nicht bereits funktionieren würden, die Objektophilie-Songs und Hollywood-Träumereien, die Vaporizer-Hymnen und die satirischen Stücke über Suizid-Versuche, die grundsätzlich am Gewicht scheitern.
Eigentlich hätte es ein großes Jubiläumskonzert werden sollen, eines von vielen, aber dennoch eines mit Schwung. Seit 70 Jahren steht Chris Barber mittlerweile auf der Bühne, ein Bigband-Dinosaurier und einer der letzten Bewahrer von traditionellem New-Orleans-Jazz und Dixieland-Musik in großer Besetzung. In der Stadthalle Bad Godesberg wollte der 88-Jährige nun dementsprechend feiern. Doch es kam anders. Der Meister habe sich die Hüfte gebrochen, musste Posaunist Bob Hunt gleich zu Beginn des Konzerts bekanntgeben. Kein Grund zur Panik, Barber würde schon wiederkommen. Aber eben nicht an diesem Abend. An dem würde es ohne den Chef gehen müssen.
Einst zählten The Hollies, The Sweet und 10cc zu den wichtigsten und berühmtesten Rock- und Popbands Großbritanniens. 40 Jahre ist das jetzt her, bei den Hollies sogar noch länger, doch ihre Hits leben bis heute fort, ebenso wie die Bands selbst, auch wenn nur noch wenige ursprüngliche Mitglieder aktiv sind. Frische Gesichter stehen im Rampenlicht – drei von ihnen haben sich nun als Frontm3n zusammengetan, um die alten Hits neu zu interpretieren und zugleich einige Eigenkompositionen zu präsentieren.
Aus dem All betrachtet ist die Welt noch in Ordnung. Unser blauer Planet, wunderschön und friedlich schwebt er inmitten der Leere. Die lokalen und regionalen Dispute und Konflikte sehen alle so klein und unbedeutend aus, so hohl und so banal. Doch der Schein trügt, und irgendjemand muss endlich das große Ganze sehen. Nicht ohne Grund hat sich daher die diesjährige Mannschaft der „Schlachtplatte“ in den Orbit schießen lassen, um ihre Jahresabrechnung zu präsentieren. Die Bühne wird zur Raumstation, die Erde ist weit weg – und dennoch in den Ausführungen von Robert Griess, Axel Pätz, Sebastian Schnoy und Nils Heinrich allgegenwärtig. Denn angesichts von Plastik im Wasser und Hass in den Herzen, angesichts von Populisten und Despoten und Neidern und Mauerbauern müssen die Warnrufe umso lauter und eindringlicher sein. Was zumindest im Pantheon nicht immer, aber doch zum Glück immer wieder gelingt.
Große Klänge für noch größere Emotionen, voller Pathos, Wucht, Charme, Witz oder Gefühl: Die Kompositionen der Traumfabrik Hollywood lassen keinen kalt. Die Lieder der Disney-Filme oder die unvergesslichen Instrumentalwerke von Howard Shore oder John Williams berühren eigentlich jeden auf die ein oder andere Weise. Es sei denn, sie werden dermaßen verunstaltet oder persifliert, dass ihre ursprüngliche Wirkung verfliegt. Das will natürlich keiner, zumindest nicht absichtlich – dennoch hat sich der Bonner Filmchor bei seinem inzwischen zweiten Konzert in der Brotfabrik keinen Gefallen damit getan, berühmte Melodien mit neuen Texten zu versehen, die mit bemühtem Witz und einem aufgesetzten Spiel mit Meta-Ebenen die Stücke ad absurdum führen. Was schade ist, zumal der von Guido Preuß geleitete und erst 2017 gegründete Klangkörper durchaus Potenzial besitzt. Und es ab und zu sogar abruft.
Erwartungen beruhen – zumindest im zwischenmenschlichen Bereich – oftmals auf unvollständigen Informationen. Da wird der erstbeste arme Schlucker in einem Edel-Hotel kurzerhand für einen anonym reisenden Multimillionär gehalten, während der echte Industriemagnat durch eine Verquickung ungewöhnlicher Umstände und den Snobismus der Angestellten einfach unterm Dach einquartiert wird; und ebenso schnell wird eine höfliche Schiffsmannschaft als überaus interessierte Reisegesellschaft einer alleinstehenden gutmütigen Quasselstrippe angesehen, die in Wahrheit nur alle in ihrer Umgebung unendlich langweilt.
Auf Bonn kann man sich verlassen. Zumindest in gewissen Bereichen. Kostenexplosionen bei Bauprojekten treten zum Beispiel mit erschreckender Zuverlässigkeit auf, während Oberbürgermeister Ashok Sridharan sich um die wirklich wichtigen Dinge in der Bundesstadt kümmert, so wie etwa Kaugummi auf rheinischen Straßen. Geht ja gar nicht, sagt das Ensemble des Pink Punk Pantheon – und setzt sich in der inzwischen 36. Session mit diesen und anderen Missständen auf gewohnt chaotische und närrische Weise auseinander.