In nur vier Tagen hat sich alles verändert. Als die Frühjahrs-Ausgabe des zum WDR Rockpalast gehörenden Crossroads-Festivals in der Harmonie ihren Anfang nahm, hatten die deutschen Veranstalter noch die Hoffnung gehegt, dass zumindest kleinere Konzerte weiterhin würden stattfinden können, dass das Leben irgendwie weitergehen dürfe und Generalschließungen umgangen werden könnten. Am Ende hatten sich dagegen die schlimmsten Befürchtungen erfüllt. Die Kultur liegt im Koma – und die rasante Entwicklung dieser kollektiven Ohnmacht lässt sich anhand der vier Crossroads-Tage auf erschreckende Weise nachvollziehen.
Mit Worten konnte Lloyd Cole schon immer hervorragend umgehen. Der britische Sänger, der zwischen Soul-Rock, New Wave, Elektronika und Singer-Songwriter-Folk schon so ziemlich alles ausprobiert hat, kann durchaus als Intellektueller gelten, der mit seinen sparsam instrumentierten Stücken gerne mal philosophische Gedanken anreißt und dabei alle Register der Lyrik zu ziehen versteht. Jetzt hat der 59-Jährige im Pantheon einen Abriss seines Schaffens vom ersten Erfolg mit „Rattlesnake“ bis hin zum neuesten Album „Guesswork“ präsentiert – ganz ohne die sonst üblichen Synthi-Sounds und andere Klang-Spielereien, sondern pur und unverfälscht. Ein Mann, eine Gitarre, das kann reichen. Doch in diesem Fall sind zwei besser.
Seit jeher gilt der Zirkus als die Heimat jener, die anders sind. Hier sind sie sicher, die Außenseiter, die Exzentriker und die Eigenwilligen, die Frau mit Bart und Fakir-Diva, die Spinnendame und die nordischen Muskelpakete. In der neuen GOP-Show „Freaks“ treten diese Gestalten nun aus den Schatten ins Rampenlicht, zelebrieren die Exotik des Außergewöhnlichen und verbinden ihn geschickt mit teils atemberaubender Artistik. So entstehen beeindruckende Bilder und Szenen, zwar ohne roten Faden, aber dafür mit starken Charakteren. Und mit einer ordentlichen Dosis Wahnsinn.
Acht Jahre ist Claus von Wagners „Die Theorie der feinen Menschen“ jetzt alt, acht Jahre und noch immer so aktuell wie eh und je. Eigentlich ein Armutszeugnis. Nichts hat sich geändert auf den Finanzmärkten der Erde: Weiterhin wetten gierige und skrupellose Spekulanten mit Derivaten auf so ziemlich alles von Ernteausfällen bis hin zum Tod von Senioren, während die von ihnen beauftragten Rating-Agenturen und Wirtschaftsprüfer die Anleger an der Nase herumführen. Ein Geschwür, das ungehindert weiter wachsen und metastasieren darf, egal wie oft davor gewarnt wird, von Wissenschaftlern, von den wenigen weißen Schafen der Branche – und von Kabarettisten wie eben Claus von Wagner. Der 42-jährige Co-Chef der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ hat schon auf dem Höhepunkt der Finanzkrise die gefährlichen Mechanismen der Großbanken unter die Lupe genommen und in einem brillanten Solo-Stück präsentiert. Im Pantheon hat er nun eine der letzten Vorstellungen gegeben.
Der Saal des Pantheon ist bis auf den letzten Platz gefüllt. 420 Besucher, viele von ihnen gerade erst erwachsen geworden, wollen sich die Welt erklären lassen und zugleich über sie lachen, wollen sich pro forma aufregen und sich doch eigentlich nur amüsieren. Kein Wunder, dass sie zu Till Reiners streben und ihm zu seinem bisher größten Solo-Auftritt verhelfen: Der 34-Jährige spricht durchaus über ernste Themen wie den Klimawandel oder die Flüchtlingskrise, haut sie aber mit dem Vorschlaghammer der Satire in kommensurable Bröckchen und inszeniert diesen intellektuellen Vandalismus als veritable Comedy mit Tiefgang. „Heute Abend kommen wir ganz ohne differenzierte Aussagen aus“, sagt er. „Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Also hinfort mit der Komplexität, die bringt die Menschen eh nur zum Gähnen. Und genau das ist das Problem.
Der Wahnsinn wütet im Reich des Königs Lear, in seinem Geist und in seinem Körper. Der alte Nörgler hat sich verabschiedet von seiner Herrschaft, hat sie an seine Töchter übertragen – zumindest an jene beiden, die ihm nach dem Munde reden und ihn zugleich heimlich zur Hölle wünschen – und ist nun zur Last geworden, ein tyrannischer Vater ohne Macht, der nur noch als Symbol der alten Ordnung dient und dessen Verstand erodiert, als er die Wahrheit über sich selbst erkennen muss. Nur der Narr bleibt ihm treu, während Lear durch ein von Intrigen und Bürgerkrieg zerrissenes Land taumelt, jener Narr, der nun mit dem letzten Funken Vernunft einen rasenden Irren führt. Aus dieser komplexen Shakespeare-Tragödie lässt sich angesichts der Fülle von Lesarten vieles machen, ein psychoanalytisches Drama etwa oder ein philosophisches. Das Theater Bonn hat sich nun dazu entschieden, es ausgerechnet in eine Groteske zu verwandeln.
Die Sprache ist für Danko Rabrenovic essentiell. Die einzige Instanz der kulturellen Identität, die noch dem „waschechten Balkanesen“ noch irgendetwas bedeutet. Die Sprache ist eine Zuflucht, sie ist Heimat, auch wenn der Musiker, Autor und Moderator manchmal nicht so ganz weiß, ob er gerade auf serbisch flucht oder auf kroatisch schimpft, ob er bosnische Geschichten erzählt oder doch eher montenegrinische. Früher, in seiner Jugend, war das alles eins. Jugoslawisch. Noch heute sieht Rabrenovic, Sohn eines Serben und einer Kroatin, als „Ex-Jugo“, und auch wenn er schon seit 30 Jahren in Deutschland lebt, kann er sich doch mitunter sehr über die Eigenheiten seiner Mitbürger wundern. In der Pantheon-Lounge hat er sich nun im Rahmen seines Solo-Programms darüber ausgelassen und mit charmantem Witz und viel Musik untermalt.
Der erste Eindruck zählt. Immerhin so viel hat Dennis aus Hürth nach acht Jahren auf der Pierre-Littbarski-Berufsschule gelernt. Wenn er am Anfang den richtigen Eindruck macht, dann läuft's. Und so kommt der 21-jährige Proll mit dem IQ eines Zwerghamsters denn auch stilecht über ein Dixi-Klo auf die Bühne der Bonner Oper, um sowohl über seine Mühen auf der Baustelle als auch über den Wendler, die Nackedei-Turtelshow „Adam sucht Eva“ und „Let's Dance“ zu reden.
Seit 15 Jahren rollt sie durchs Land, immer in etwa zur gleichen Zeit, auf einer Tour im Dienste des Zwölftakters: Die Blues Caravan von Ruf Records ist längst eine Tradition mit Kultfaktor, die doch immer wieder anders ist. Und immer wieder aufregend. Jede Inkarnation wartet mit neuen Talenten auf, mit Künstlern voller Energie und Leidenschaft, die mit etwas Glück und ein wenig Zeit im Rampenlicht auch in Deutschland durchstarten zu können. Ana Popovic hat so ihr Publikum gefunden, ebenso wie Big Daddy Wilson oder Ina Forsman; jetzt wollen drei weitere Musiker zeigen, was sie so können. Ryan Perry, Whitney Shay und Jeremiah Johnson haben sich derzeit der Karawane angeschlossen, um zu zeigen, was sie können. Und um zu merken, was ihnen fehlt.
Was für eine Mischung: Wenn sich die Mehrstimmigkeit der Hollies mit der Energie von The Sweet und der Vielseitigkeit von 10cc vereint, kann eigentlich nur etwas ganz Besonderes dabei herauskommen. Vor allem dann, wenn sich dafür drei Sänger zusammentun, die die jeweiligen Lieder im Schlaf singen können. So wie Peter Howarth (seit 2004 Sänger von The Hollies), Peter Lincoln (von 2006 bis 2019 der Nukleus von The Sweet) und Mick Wilson (seit 1999 Perkussionist und Sänger bei 10cc). Die Frontm3n interpretieren seit einigen Jahren die Hits der legendären britischen Rockbands in überaus charmanten Akustik-Arrangements, während sie gleichzeitig an eigenem Material arbeiten. Mit Erfolg, wie sie jetzt im Haus der Springmaus eindrucksvoll bewiesen haben.
Für Olympia hat es nicht gereicht. Schon als Jugendlicher wollte Wigald Boning zur Weltspitze des Sports gehören, wollte sich zu Höchstleistungen anspornen, an seine Grenzen gehen und darüber hinaus. Doch als Diskuswerfer konnte er nicht glänzen, und als er Jahre später im zweiten Versuch mit dem Laufen anfing, war er schon längst bekannt wie ein bunter Hund, dank RTL Samstag Nacht und seiner Zeit mit Olli Diettich als „Die Doofen“. Das Duo war zuvor sogar schon im Vorprogramm von Jon Bon Jovi aufgetreten, ein Ritterschlag, den Boning trotz seines Enthusiasmus auf keiner Aschebahn würde toppen können. So blieben die Olympischen Spiele ein Traum. Doch die Leidenschaft für den Sport brannte weiter. Im Haus der Springmaus hat der Komiker nun davon berichtet – und für sein Programm „Wie ich Weltmeister im Langsamschwimmen wurde“ ausgerechnet die Form eines Dia-Vortrags gewählt.
Die Worte sind ihm abhanden gekommen. Die Worte, und noch schlimmer die Noten. Die Musik, die stets sein Leben war, erschließt sich Robert Schumann nicht mehr – es ist die schlimmste Folge der Syphilis, unter deren Ausbruch der Komponist in den letzten Jahren seines Lebens leidet. Ausgerechnet er, das große Genie der Romantik, versinkt in einer Irrenanstalt in Endenich unaufhaltsam im Wahnsinn, gepeinigt von Tönen in seinem Kopf, die nicht zu ihm sprechen und ihm so die Hölle auf Erden bereiten.
Hinfort mit all der schlechten Laune. Ja, irgendwann beißt jeder Gärtner ins Gras, verreckt jeder Turner, schläft jeder Nachtwächter für immer ein – aber davor kann man doch ein wenig Spaß haben! Vor allem dann, wenn Pasquale Aleardi mit seinen Phonauten in der Stadt ist und die Nasenflöten auspackt. Der charmante Schauspieler („Kommissar Dupin“) und enthusiastische Sänger ist zum inzwischen dritten Mal in die Harmonie gekommen, um die Menschen mit viel Quatsch und Antidepressionsmusik locker zu machen, und dank der Spielfreude des Trios und eines Technikers mit Rampensau-Qualitäten gelingt dies einmal mehr meisterhaft.
Der Blues ist noch da, aber der Schwermut ist verschwunden. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Erjy Lyytinen emotional angeschlagen war und sich 2017 mit „Stolen Hearts“ den Schmerz von der Seele singen musste. Nun jedoch wagt die finnische Gitarristin mit „Another World“ den Neuempfang und zeigt sich so vielseitig wie nie. In der Harmonie schlägt sie auf jeden Fall ein neues Kapitel in ihrer schon jetzt bemerkenswerten Karriere auf, lässt neben Rock und Funk auch Pop und sogar einen Hauch von irischem Folk einfließen und offenbart mit jedem neuen Song eine neue Facette ihres künstlerischen Tuns. Ein starker Auftritt, der keine Wünsche offen lässt.
Der Schlachtruf lässt keine Kompromisse zu. „Tod oder Freiheit“, brüllen die Räuber aus Schillers gleichnamigem Drama in der Bonner Inszenierung von Regisseur Simon Solberg den Dragonern entgegen, die sie in den böhmischen Wäldern eingekesselt haben und für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen wollen. Dabei wollten die jungen Männer und Frauen doch nur leben, auf ihre Weise und nicht so, wie es Eltern und Gesellschaft von ihnen verlangen. Und sie wollten die Welt ein bisschen besser machen, wollten sich gegen Korruption und Machtmissbrauch stellen, so wie einst Robin Hood und seine wackeren Mannen. Ach, wenn es doch so einfach wäre. Denn wie schnell führt ungezügelte Freiheit zu Anarchie, weil jeder seinen Gelüsten freien Lauf lassen kann, ohne sich um Konsequenzen zu scheren. Diese Problematik hat „Die Räuber“ schon immer geprägt und macht das Stück daher auch heute so aktuell wie eh und je. Solberg hat den Stoff nun mit einer modernen Bildsprache versehen – und ihm damit die rohe Kraft wiedergegeben, die der rebellische Text verdient.
Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen schwer: Das weiß auch Torsten Sträter nur zu gut. Der 53-jährige Kabarettist, Autor und wahrscheinlich bekanntester Mützenmann der deutschen Kleinkunstszene hat immerhin selbst einen vor sich hin pubertierenden Sohn, dem er gerecht werden möchte, statt sich wie der eigene Erzeuger aus dem Staub zu machen und darüber einen Mantel des Schweigens zu breiten. Also hat er mit dem Filius jede Menge Zeit verbracht, statt das neue Programm zu schreiben. Gut so. Denn gerade diese Prokrastination ist Ursprung zahlreicher Geschichten und Anekdoten, die Sträter nun unter dem kryptischen Titel „Schnee, der auf Ceran fällt“ im restlos ausverkauften Brückenforum präsentiert, das dem Pantheon ausnahmsweise als Ausweichstätte dient – ein herrlich schräges Kuddelmuddel, in dem sich Sträter nur zu gerne verliert, eine Abschweifung nach der anderen einfügt und abstruse Volten vollzieht, die unterhaltsamer kaum sein könnten. Natürlich alles nichts als die Wahrheit, betont er. Zumindest wenn man für Wahrheit einen bestimmten Wert anlegt.
Gott ist tot, und die Sünder tanzen begeistert auf seinem Grab. Warum auch nicht? Ohne eine höhere Instanz, die auf die Einhaltung himmlischer Gesetze pocht, droht schließlich keine Verdammnis mehr. Die Hölle, sie ist öde und leer geworden, seit auf Erden alles erlaubt ist. Die Todsünden sind längst im Alltag etabliert: Fast-Food-Ketten huldigen der Völlerei, Online-Shopping-Giganten bedienen die Trägheit und die sozialen Medien fördern den Zorn gegen alles und jeden. Laster sind somit gewöhnlich geworden – und damit zumindest in den Augen von Lisa Eckhart gnadenlos langweilig.
Piet Klocke ist und bleibt der Meister des Anakoluths. Nur selten finden seine Gedanken einen Abschluss, seine Sätze erst recht nicht – und seine Programme ebenso wenig. Manche Bausteine trägt der 62-Jährige nun schon seit fast einer Dekade mit sich herum, ohne sie auch nur ansatzweise umzugestalten oder zu aktualisieren. Die Pointe ist noch gut, für's Publikum reicht's allemal. Doch ohne ein Ende kann es keinen neuen Anfang geben. Und so erweist sich auch „Kann ich mal einen Satz zu Ende“ (Titel eines Klocke-Buchs von 2010) im Pantheon nicht etwa als Neuheit, sondern lediglich als Fusion von Inhalten aus zwei vorhergehenden Programmen. Ein Kunstgriff, könnte man wohlwollend sagen, eine Umkehrung des Anakoluths auf großer Flur, wird doch aus dem Unvollendeten das Unbegonnene. Tatsächlich ist es ein Betrug am Publikum. Auch wenn dieses ihn nicht bemerkt. Oder sich nicht drum kümmert.
Viel Lärm um nichts. Den menschlichen Geist vermag er nach seinem Willen zu formen, behauptet Zauberkünstler und Entertainer Desimo alias Detlef Simon. Der 53-Jährige hat sich der Mentalmagie verschrieben, will beeinflussen und manipulieren und letztlich mehr oder weniger freiwillige Mitspieler aus dem Publikum dazu bringen, genau das zu tun, was er sie tun lassen möchte. Im Haus der Springmaus hat er nun sein aktuelles Programm „Manipulation – die Gedanken sind frei... zugänglich“ präsentiert und auch tatsächlich sein Ziel erreicht. Doch angesichts der meist offenkundigen Schummeleien ist Verblüffung nur selten gegeben. Es ist zu einfach, was er tut. Eine Erkenntnis, die Desimo durchaus bezweckt, die aber leider auf Kosten der Spannung geht. Und auf die kann nun einmal kein Zauberabend verzichten.
Die Geige spielt zum Tanz auf, und alle machen mit: Bei echter, urtümlicher Cajun-Musik können nur die wenigsten die Beine still halten. Die fröhliche Musik der frankophonen Einwanderer, die im 18. Jahrhundert über Kanada in die Sumpfgebiete von Mississippi und Louisiana zogen, erfordert geradezu eine Feier, einen Ball, ein „Fais Do Do“, stilecht mit einer ordentlichen Portion Jambalaya und dem ein oder anderen Mondschein-Whisky. Hierzulande reicht es dann immerhin noch für ein Konzert von Le Clou.
Irische und schottische Balladen nehmen in der Regel kein glückliches Ende. Mindestens eine Person ist am Ende tot, oft getötet vom Liebhaber oder vom Ehepartner, und wenn sich die tragische Geschichte in den rauen Highlands ereignet, steigt die Zahl der Opfer noch einmal beträchtlich an. Dennoch gehören diese Lieder zu den schönsten ihrer Art, wird das Schaurige doch in traumhafte Melodien verpackt – und wenn diese dann noch von einer Weltklasse-Formation wie Cara interpretiert werden, bleibt keine Seele nicht unberührt. Am vergangenen Sonntag hat das Quartett um Gründerin, Fiddlerin und Sängerin Gudrun Walther in der Harmonie nun ihre Magie gewirkt und den reichen Schatz des Folk vor dem begeisterten Publikum ausgebreitet. Ein Genuss.
Ein bisschen verrucht, ein bisschen verspielt und schön verrückt: Mit dieser ganz besonderen Mischung verführt das a-cappella-Quartetts Gretchens Antwort seit einiger Zeit ein ständig wachsendes Publikum und verschmilzt die Gegenwart geschickt mit dem Zauber der 20er Jahre. Nun haben die vier Damen auch im Haus der Springmaus den Swing aufgedreht, haben „Britta Speers“ ebenso zu ihrem Recht kommen lassen wie die arme Roxanne aus dem Rotlichtmilieu, und eine freche, spritzige „Radio-Show“ inszeniert, die sich zu einem echten Kassenschlager entwickeln könnte.
Wenn die Mutter aus Freiburg anruft, weiß Sebastian Lehmann, dass er mitschreiben muss. Nicht, weil ja etwas Lebenswichtiges erzählt werden könnte, sondern weil dem 38-Jährigen mit Sicherheit ein ziemlich absurdes Telefonat bevorsteht, samt gut gemeinter Tipps für den Alltag („Fahr vorsichtig“ etwa oder auch „ich würde ja Schinken reinschneiden“) und der ein oder anderen reingerufenen bissigen Bemerkung seines Schinkenbrote kauenden Vaters. Die gesammelten Aufzeichnungen dieser Dialoge haben Lehmann inzwischen zu einem erfolgreichen Poetry Slammer und Schriftsteller werden lassen – nun hat er im Pantheon Auszüge vorgelesen.
Eigentlich ist Erfolg in der Musikindustrie ganz einfach. 31 Sekunden sind alles, was man braucht, 31 Sekunden, in denen ein Lied bei den großen Streaming-Diensten wie Spotify und Deezer angehört wird. 31 Sekunden voller rhythmischer und harmonischer Schleifen aus den 80er Jahren, übereinandergelegt und mit Autotune und anderen Algorithmen in Form gebügelt, bis es für die Ohren von Grundschülern interessant klingt. Die müssen dann nur noch klicken und es regnet Geld. Viel Geld. So erklärt sich zumindest Dr. Pop alias Markus Henrik den Erfolg von Rappern wie Summer Cem – und er kennt sich aus.
Das erste Opfer ist ein Häschen. Ein armes, kleines, harmloses Tier, das lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die Täterin: Die Protagonistin. Cayenne, die ein Leben in den Wäldern Brandenburgs führt und ständig auf der Flucht ist. Schon das zeigt, das die beiden Krimi-Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr bei ihrem ersten Ausflug ins Thriller-Genre einen anderen Tonfall anschlagen. In „Draußen“ geht es deutlich brutaler, düsterer, mörderischer zu als in den Kluftinger-Romanen, für die das Duo berühmt ist. Jetzt ist Schluss mit lustig. Zumindest teilweise. Denn insbesondere bei ihren Lesungen können und wollen die Beiden nicht auf die ihnen eigene Mischung aus Comedy- und Entertainment-Elementen verzichten. Was im Haus der Springmaus dazu führt, dass bei diesem Roman dann doch mehr gelacht wird als erwartet.
Die Evolution hat Sulaiman Masomi enttäuscht. Da hat sich das Leben Milliarden Jahre lang abgeplagt, um aus Einzellern Amöben und daraus dann Pflanzen, Fische, Pilze und Menschen zu entwickeln, hat die vermeintliche Krone der Schöpfung ausgebildet – und dann wird ausgerechnet eine Orange auf zwei Beinen Präsident der Weltmacht USA, während in Deutschland 12,6 Prozent in einem braunen Haufen ihr Heil suchen. Die Evolution verläuft also doch zyklisch statt linear. Irgendwie traurig. Nur leider kann man daran nichts ändern. Wohl aber an Erwartungen und Wahrnehmungen. Mit denen hat Masomi, seines Zeichens erfolgreicher Dichter und Denker, durchaus seine Erfahrungen gemacht. In der voll besetzten Pantheon-Lounge hat der Poetry Slammer nun sein Solo-Programm „Morgen-Land“ vorgestellt und neben einigen herrlich skurrilen Geschichten auch tiefgehende philosophische Gedankengänge ans Publikum herangetragen.
Den Blues kennt Bernard Allison schon seit seiner Geburt. Als Sohn des legendären Luther Allison ist der Zwölftakter quasi in seiner DNA verwurzelt, der Groove sein Herzschlag und die Gitarre sein Geburtsrecht. Jetzt, 30 Jahre nach der Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums, ist er wieder mal nach Bonn gekommen, um eine neue Live-CD vorzustellen und um das Erbe seines Vaters zu pflegen. Dafür hat er noch einmal aufgestockt, hat neben Bassist George Moye, Drummer Mario Dawson und Saxofonist José James auch den gerade mal 19-jährigen Gitarristen Dylan Salfer an seiner Seite und lässt mit ihnen die „Songs From The Road“ in die Harmonie lebendig werden. Professionell wie eh und je taucht Allison in den Blues ein, lässt die Gitarre aufjaulen und die Menge toben. Also alles wie immer. Ein gutes Konzert. Wenn auch kein brillantes.
Am Ende knallen die Champagnerkorken. Geschafft, zum Glück. Eine weitere gelungene Silvestergala. Alles andere wäre auch eine Schande gewesen für das stolze Grand Hotel, jenes altehrwürdige Haus, das mit großer Geste den hohen Stil pflegt und von sich und seinen Mitarbeitern nicht weniger als Perfektion verlangt. Zumindest gegenüber den Gästen. Was im Hintergrund passiert, ist eine ganz andere Geschichte. Und die erzählt das GOP Varieté-Theater Bonn mit der neuen Show „Grand Hotel“ nur zu gerne. Denn Was hinter den Kulissen einer Nobel-Herberge geschieht, reicht für eine ganze Bibliothek voller Anekdoten, in denen es nur so wimmelt von bunten Gestalten. Jonglierende Pagen, beschwipste Zimmermädchen, sprunghafte Köche und ein Concierge, der bei all dem Chaos noch die Kontrolle zu behalten versucht, sorgen auf jeden Fall für einen überaus unterhaltsamen Abend – und ein frohes neues Jahr.
Auf dem Land kommen manche Menschen auf verrückte Ideen. Da werden Pfauen zur Bewachung des Hofs eingesetzt (und nach dem unvermeidlichen Unfalltod kurzerhand als Fasan-Ersatz in die Pfanne gehauen), Katzen in Kirschbäume verfrachtet und Kinder auf den Mähdrescher, den sie dank eines Pflastersteins am Fuß zumindest ansatzweise übers Feld fahren können. Eigentlich könnte man darüber ja mal ein Kabarett-Programm schreiben. Oder zwei. Oder drei.