Zwei Auftritte an einem Tag, das ist sportlich, selbst für einen versierten Chor wie BonnVoice. Immerhin hat die Pandemie alle Vokalensembles besonders hart getroffen und mit zahlreichen Einschränkungen bedacht, inklusive Probenverboten. Andererseits ist gerade im Moment wieder jeder Zuschauer wichtig, und so geben BonnVoice an diesem vierten Adventssonntag eben zwei nahezu ausverkaufte Konzerte im Pantheon: eine Mischung aus Weihnachtsliedern, die sich schon länger im Repertoire befinden, und dem ein oder anderen neuen Stück, das die Formation seit Beginn der Lockerungen im Sommer einstudiert hat. Und auch wenn vielleicht noch nicht jeder Ton ganz genau da sitzt, wo er hingehört, spricht das Ergebnis doch für sich und unterstreicht eindrucksvoll, warum BonnVoice unabhängig von irgendwelchen Wettbewerben zu den besten Chören im Westen gehören.
Big Daddy Wilson ist schon eine besondere Erscheinung: Ein Mann von mächtiger Statur, der seinen Anzug mit einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit trägt und dabei so strahlt, als wäre er mit sich und der Welt im Reinen. Und dann noch diese Stimme! Sonor, warm, kraftvoll und bis zum Rand gefüllt mit Soul und Blues, mitunter traurig, häufig dankbar, immer hoffnungsvoll. In der Harmonie, die längst zu einer Art zweiter Heimat für den 61-Jährigen geworden ist, präsentiert Big Daddy nun sein aktuelles Album „Hard Time Blues“ – und verzaubert die Menge einmal mehr innerhalb von Sekunden.
Die Bedürfnisse junger Jazzer sind relativ einfach zu benennen und doch nicht so leicht zu befriedigen. Sichtbarkeit, Referenzen, ein Netzwerk und Auftrittsmöglichkeiten sind für eine erfolgreiche Karriere unabdingbar, so fasst es Vortstandssprecher Christian Cassebaum bei dem ersten Konzert der neu gegründeten Grizzly Jazz Foundation im Konzernsitz der Deutschen Telekom zusammen. Die Stiftung, die der vor einem Jahr verstorbene Anästhesist Professor Andreas Hoeft ins Leben gerufen hat, will talentierten, ausgewählten Nachwuchskünstlern mit einer zweijährigen Förderung helfen, die vier genannten Faktoren zu realisieren und das eigene Profil zu schärfen – jetzt hat sie mit der Sängerin Alma Naidu die erste Stipendiatin der Öffentlichkeit vorgestellt.
Hannibal Lecter, der charismatische Serienkiller aus „Das Schweigen der Lämmer“, ist wahrscheinlich jedem ein Begriff. Doch nur die wenigsten Psychopathen erfüllen das Klischee des hoch gebildeten, manipulativen und angstbefreiten Kannibalen. Ein Glück für die Besucher der Springmaus, die in Scharen zu einem Vortrag der Kriminalpsychologin Lydia Benecke gekommen sind. „Statistisch gesehen müssten hier im Saal zwei Psychopathen sitzen“, betont die 38-Jährige. Oder zumindest Menschen, die einen Mix gewisser Risiko-Eigenschaften aufweisen.
George und Martha haben sich schon längst verloren. Ihre Ehe ist ein Kriegsschauplatz, ihre Liebe dem Hass gewichen, und doch können die beiden Hauptfiguren aus Edward Albees toxischem Beziehungsdrama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ nicht voneinander lassen. Dafür verachten sie sich zu sehr und gönnen dem anderen zu wenig, noch nicht einmal die Genugtuung der Einsamkeit. Doch als der junge Biologieprofessor Nick und seine Frau Putzi eines Nachts von Martha zu einem After-Party-Umtrunk eingeladen werden, greift dieses Gift um sich – bis es Opfer fordert. Jetzt hat das Euro Theater Central den Klassiker neu inszeniert.
Der Tod tanzt mit. In den Clubs und Bars von Berlin bis New York, in denen während der 1920er Jahre der Exzess gefeiert und die Freizügigkeit gelebt wird, in denen alles erlaubt und nichts unmöglich scheint, in denen das Leben pulsiert und jeder Moment ausgekostet wird, überall dort ist auch der Schnitter unter den Gästen. Diesen Tanz auf der Rasierklinge, zwischen Aufstieg und Untergang, haben Evi Niessner und ihre M & G Showcompany schon vor zwei Jahren in eine spektakuläre Burlesque-Show verwandelt – bis der Lockdown kam und alle Aufführungen mehrfach verschoben werden mussten. Jetzt aber war „Glanz auf dem Vulkan“ an gleich zwei Terminen im Bonner Pantheon zu bewundern. Und eins wurde schnell klar: Das Warten hat sich gelohnt.
Die Menge tanzt. Natürlich am Platz wie in Pandemiezeiten üblich, aber trotzdem ausgelassen, stehend, jubelnd, groovend. Etwas anderes wäre bei einem Konzert von Jamaram auch sehr ungewöhnlich gewesen. Seit mehr als 20 Jahren ist die Combo aus München ein Garant für gute Laune, die selbst im tiefsten Kellerloch die Sonne aufgehen und Bäume wachsen lässt, eine Band voller Reggae und Ska und Funk und Pop und Lebensfreude, die jeden zum Mitwippen und Aufstehen und Mitfeiern bringt. Kein Wunder also, dass Jamaram beim „Over the Border“-Festival genau richtig ist. In der Harmonie feiert die Band jetzt die Kraft der positiven Vibes, mit denen sich alles überwinden lässt, ob Grenzen oder Pandemien. Oder Jubiläen.
Manchmal kann Trash überaus amüsant sein. Gnadenlos überzeichnete Charaktere, eine völlig absurde Handlung, dazu eine wilde Gemengelage aus popkulturellen Versatzstücken, Topoi und Klischees verbinden sich dann zu einer dermaßen augenzwinkernden Anti-Kunst, dass diese einfach nur Spaß macht. Die Alternative ist dagegen schlichtweg peinlich: Dann wirken das Spiel bemüht und die Dialoge aufgesetzt, sind die Stimmen zu schrill und der Witz zu banal. Es ist eine schwierige Balance, die es zu wahren gilt – und mit der sich die Ferienbande, die jetzt mit ihrem neuen Live-Hörspiel „Meltdown im verfluchten Horror-Hotel“ zu Gast im Haus der Springmaus war, überaus schwer tut.
Der Kapitalismus ist an allem schuld. Am Klimawandel, am Artensterben, an überteuerten Mieten und an den Lockdowns. Ja klar. Hätten die ganzen privat betriebenen Krankenhäuser nicht massive Einsparungen vornehmen müssen, wären die Intensivstationen wahrscheinlich besser auf die Flut an Corona-Patienten vorbereitet gewesen, dann hätte das Gesundheitssystem nicht kurz vor dem Kollaps gestanden und die Geschäfte hätten offen bleiben können, um den Konsum zu befriedigen. Wenn es nach Jürgen Becker geht, ist alles so einfach. Der Kölner Kabarettist, der sich zuletzt schon intensiv und zugleich überaus unterhaltsam mit der Kunst-, der Religions- und der Sexualgeschichte auseinandergesetzt hat, nimmt sich in seinem neuen Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ nun die Wirtschaft zur Brust. Große Erkenntnisse hat er allerdings nicht zu bieten. Dafür aber viele altbackene Pointen.
Für einen Abend besaß Bonn noch einmal Hauptstadt-Flair: Ein roter Teppich, jede Menge Prominenz und das unvermeidliche Blitzlichtgewitter erinnerten am vergangenen Samstag an jene Zeiten, in denen ein derartiges Schaulaufen am Rhein noch selbstverständlich war. Stars wie Trompeter Till Brönner und Sängerin Katie Melua, Schauspieler Tobias Moretti und die Scorpions, Künstler Gottfried Helnwein und Model Barbara Meier, Sopranistin Diana Damrau und Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg, sie alle waren zur Verleihung des Europäischen Kulturpreises in die Bonner Oper gekommen, die eigentlich schon 2020 anlässlich Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag hätte stattfinden sollen, wegen Corona aber verschoben werden musste. In einer abwechslungsreichen, kurzweiligen, fast dreieinhalbstündigen Gala mit vielen Höhe- und nur wenigen Tiefpunkten feierten sie zusammen mit dem ebenfalls geehrten Beethoven Orchester Kunst und Kultur in all ihren Facetten.
Die Flamingos brauchen Auslauf. Querbeat auch. Zwei aufgeblasene rosa Gummi-Federviecher hat die Bonner Blechblas-Popband zu ihrem Konzert im Kulturgarten mitgebracht, um ein kleines Wettrennen zu veranstalten und um die Menge darauf vorzubereiten, wie sich ein unerwarteter Besuch nach anderthalb Corona-Jahren anfühlt. Irgendwie ganz vertraut, wenn die Atmosphäre auf dem Gelände als Maßstab gelten darf. Die Pandemie ist an diesem Sonntagabend für die mehr als 2500 Gäste der Open-Air-Bühne neben dem Römberbad ganz weit weg – stattdessen sind Querbeat da, mehr als das, sie sind mittendrin.
Techno mal anders: An diesem Donnerstagabend schallen nicht etwa hämmernde Bässe über den Kulturgarten in Richtung Rhein, um das tanzwütige Publikum in Ekstase zu versetzen, sondern vielmehr hämmernde Saxofone, Posaunen und ein Sousafon. Die Wirkung ist jedoch nahezu identisch, und nicht weniger will die Hamburger Band Meute erreichen. Die elf Musiker aus dem Norden haben sich in den vergangenen Jahren einen Namen damit gemacht, House-Tracks mit den Mitteln einer Marschkapelle zu interpretieren – ein Ansatz, den sie unter anderem mit den Mitgliedern der Jazzrausch Bigband teilen. Jetzt feuern Meute eben auf dem Gelände neben dem Römerbad die Beats aus dem Blech, was mal wieder hervorragend funktioniert. Zumindest nach einer guten halben Stunde.
„Wir sind wieder da!“ Die Erleichterung und die Freude über diese eigentlich so einfachen Worte waren Dirk Kaftan deutlich anzusehen. Denn einfach war in den vergangenen Monaten nichts, schon gar nicht für Musiker. Und während es den Mitgliedern des Beethoven Orchesters Bonn (BOB) im Vergleich zu ihren freien Kollegen im Lockdown noch gut ging, blutete ihnen angesichts des Ausfalls von fast allen Konzerten doch das Herz. Umso wichtiger war es für sie, endlich wieder in voller Besetzung vor einem Live-Publikum spielen zu dürfen.
Die Theater spielen wieder! Ein Satz, auf den zahlreiche Kulturbegeisterte seit Ende Oktober 2020 sehnsüchtig gewartet haben. Gut, es ist erst einmal nur ein Haus, das in Bonn seine Pforten öffnet und das Publikum im Inneren empfängt, doch für Malentes Theaterpalast hat sich dieser Schritt offenbar gelohnt. Immerhin war die Wiederaufnahme der verrückt-amüsanten, mitunter zotigen und auch peinlich authentischen 80er-Jahre-Revue „99 Luftballons“ unter Corona-Bedingungen ein voller Erfolg: Ausverkauft, umjubelt, gefeiert. Zu Recht. Denn das starke Ensemble sorgte mit starken Stimmen und einer erstaunlichen Wandlungsfähigkeit immer wieder für neue vergnügliche Höhepunkte.