Zwei Auftritte an einem Tag, das ist sportlich, selbst für einen versierten Chor wie BonnVoice. Immerhin hat die Pandemie alle Vokalensembles besonders hart getroffen und mit zahlreichen Einschränkungen bedacht, inklusive Probenverboten. Andererseits ist gerade im Moment wieder jeder Zuschauer wichtig, und so geben BonnVoice an diesem vierten Adventssonntag eben zwei nahezu ausverkaufte Konzerte im Pantheon: eine Mischung aus Weihnachtsliedern, die sich schon länger im Repertoire befinden, und dem ein oder anderen neuen Stück, das die Formation seit Beginn der Lockerungen im Sommer einstudiert hat. Und auch wenn vielleicht noch nicht jeder Ton ganz genau da sitzt, wo er hingehört, spricht das Ergebnis doch für sich und unterstreicht eindrucksvoll, warum BonnVoice unabhängig von irgendwelchen Wettbewerben zu den besten Chören im Westen gehören.
Big Daddy Wilson ist schon eine besondere Erscheinung: Ein Mann von mächtiger Statur, der seinen Anzug mit einer beneidenswerten Selbstverständlichkeit trägt und dabei so strahlt, als wäre er mit sich und der Welt im Reinen. Und dann noch diese Stimme! Sonor, warm, kraftvoll und bis zum Rand gefüllt mit Soul und Blues, mitunter traurig, häufig dankbar, immer hoffnungsvoll. In der Harmonie, die längst zu einer Art zweiter Heimat für den 61-Jährigen geworden ist, präsentiert Big Daddy nun sein aktuelles Album „Hard Time Blues“ – und verzaubert die Menge einmal mehr innerhalb von Sekunden.
Manche Geschichten kann man sich nicht ausdenken. So wie diese: Petra Kalkutschke und Martin Bross wollen in der Brotfabrik so wie jedes Jahr satirische Texte unterschiedlicher Autoren vortragen und wenden sich bezüglich der Lizenzierung an die Verwertungsgesellschaft Wort, die für Autoren das Äquivalent zur Gema darstellt, mit ebenso wenig Humor und noch weniger Einfluss. Kein Problem, sagt der Verein – so lange die beiden Schauspieler ihre satirische Lesung „Endlich grüne Weihnachten“ nicht auf einer Bühne abhalten und auf szenische Elemente verzichten. Dafür könne die VG Wort nämlich keine Aufführungsrechte erteilen. Klingt seltsam, ist aber so.
Was für Stimmen! Was für Harmonien! Eng geführt und in himmlische Höhen getragen singen die Ringmasters Weihnachtslieder und den ein oder anderen Pop-Song, und mit jedem perfekt sitzenden Ton wird aufs Neue klar, wie einzigartig das Barbershop-Quartett aus Schweden ist und wie atemberaubend gut. Kein Wunder, dass die vier Herren 2012 als erste nicht-amerikanische Formation Gold bei der jährlich stattfindenden Barbershop-Weltmeisterschaft gewannen und seitdem nicht wieder antreten dürfen – sonst hätten sie wahrscheinlich noch einige weitere Titel geholt. In der Lutherkirche, wo sie auf Einladung der Springmaus ihr Konzert geben, wird diese Vermutung mit Sicherheit jeder teilen. Alles andere wäre fast schon Blasphemie. Dafür sind die Ringmasters einfach zu gut.
Jetzt kann Heiligabend kommen: Zu der ganz normalen Dosis an weihnachtlicher Vorfreude, die die Malentes mit ihrem aktuellen Programm „Alle Jahre Lieder“ seit einigen Wochen genüsslich in ihrem Theaterpalast verteilen, haben sie am vergangenen Montag noch ein ganz besonderes Sahnehäubchen serviert. Eins mit Schuss. Und mit jeder Menge Soul. Die Bonner Sängerin Makeda, die so ziemlich jedes Lied veredeln kann, hat mit ihrer Band ein fantastisches Konzert im Spiegelzelt gegeben und neben diversen winterlichen Klassikern auch einige Eigenkompositionen präsentiert, die in dem intimen Rahmen mindestens genau so stark waren wie im Juni mit dem Beethovenorchester vor allem dann, wenn sie in die Gewürzkiste griff und die Songs mit dem nötigen Groove würzte.
Sie kamen, sie rockten und sie siegten: Joker's Kingdom sind die Gewinner der 27. Ausgabe des Nachwuchs-Bandwettbewerbs Toys2Masters. Das Quartett aus Dortmund hat im Brückenforum alles gegeben und mit ihrer Leidenschaft sowohl das Live- und das Online-Publikum als auch die Fachjury überzeugt. Ihr knallharter Alternative-Garage-Rock kam sogar so gut an, dass die Jungs um Frontmann Justin auch noch den Sonderpreis „Master of Performance“ erhielten. Dabei war das alles andere selbstverständlich, spielte die Konkurrenz doch zumindest teilweise in der gleichen Liga – und konnte im Zweifel auch noch deutlich besser singen.
„Wir haben doch alle einen an der Klatsche!“ Martin Zingsheim kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Pandemie, spielen die Menschen weiter ihr Befindlichkeiten-Tetris, sind überempfindlich, wenn es sie selbst betrifft, und radikal, wenn es um die Rechte anderer geht. „Darüber kann ich wirklich nicht mehr lachen“, singt Zingsheim bei der Bonn-Premiere seines neuen Kabarett-Programms „Normal ist das nicht“ im Pantheon. Zumindest nicht über alles.
Die Bedürfnisse junger Jazzer sind relativ einfach zu benennen und doch nicht so leicht zu befriedigen. Sichtbarkeit, Referenzen, ein Netzwerk und Auftrittsmöglichkeiten sind für eine erfolgreiche Karriere unabdingbar, so fasst es Vortstandssprecher Christian Cassebaum bei dem ersten Konzert der neu gegründeten Grizzly Jazz Foundation im Konzernsitz der Deutschen Telekom zusammen. Die Stiftung, die der vor einem Jahr verstorbene Anästhesist Professor Andreas Hoeft ins Leben gerufen hat, will talentierten, ausgewählten Nachwuchskünstlern mit einer zweijährigen Förderung helfen, die vier genannten Faktoren zu realisieren und das eigene Profil zu schärfen – jetzt hat sie mit der Sängerin Alma Naidu die erste Stipendiatin der Öffentlichkeit vorgestellt.
Hannibal Lecter, der charismatische Serienkiller aus „Das Schweigen der Lämmer“, ist wahrscheinlich jedem ein Begriff. Doch nur die wenigsten Psychopathen erfüllen das Klischee des hoch gebildeten, manipulativen und angstbefreiten Kannibalen. Ein Glück für die Besucher der Springmaus, die in Scharen zu einem Vortrag der Kriminalpsychologin Lydia Benecke gekommen sind. „Statistisch gesehen müssten hier im Saal zwei Psychopathen sitzen“, betont die 38-Jährige. Oder zumindest Menschen, die einen Mix gewisser Risiko-Eigenschaften aufweisen.
Der Barock-Komponist Antonio Vivaldi hat ohne Zweifel einige wunderschöne Werke geschrieben, auch abseits seiner „Vier Jahreszeiten“. Aber sein Flötenkonzert in C-Dur? Da gibt es noch Verbesserungsbedarf. Das behaupten zumindest Wildes Holz, die sich für ihr neues Programm „Grobe Schnitzer“ der Aufgabe gestellt haben, besagtes Stück zu optimieren: Mit einer neuen Tonart, einer Reduktion und einer Umkehrung der Sätze und der Hilfe einer E-Gitarre, die kurzerhand ein komplettes Orchester ersetzt, lassen sich so einige vermeintliche Webfehler korrigieren. Das Ergebnis hat das irre Trio mit einer neuen Besetzung jetzt im nahezu ausverkauften Haus der Springmaus präsentiert und beim Publikum offene Türen eingerannt. Ja, so klingt Vivaldi deutlich besser. Oder auch die Backstreet Boys.
Kabarett ist tot. Sagt zumindest Christine Prayon. Bei gläsernen Menschen gibt es schließlich nichts mehr, das die Satire sichtbar machen kann, Kritik ist ohnehin derzeit nicht sonderlich beliebt, und Witze kann man über die aktuelle Situation ohnehin nicht mehr machen. Also bleibt nur ein Schlussstrich. Yogalehrerin, das ist Prayons neuer Plan, wie sie im Pantheon offenbart. Das tut keinem weh und bewahrt das Publikum gleichzeitig vor zwei Stunden sinnlosem Kabarett. Zwei Minuten, danach ist die 47-Jährige fertig. Und schweigt. Doch das Denken, das kann selbst sie nicht abstellen. Also grübelt sie über alternative Gesellschaftsformen – und fängt jetzt erst so richtig an.
Vier Frauen, knallharter Rock 'n' Roll und eine Bombenstimmung: Beim Auftritt von Thundermother passte in der Harmonie alles zusammen. Die schwedischen Metal-Ladys, die seit einigen Jahren die Rockbühnen Europas stürmen und sich auch von dem Corona-Virus nicht davon abbringen lassen, sind zwar zum ersten Mal in Bonn, haben aber schon ein paar Fans in der Bundesstadt – und nach diesem Konzert dürften es noch etliche mehr geworden sein. Immerhin gibt das Power-Quartett von der ersten Sekunde an Vollgas, lässt die Höllenhunde jaulen und feuert genüsslich aus allen Rohren.
Ein Mann zwischen der Tristesse des Landlebens und der Ekstase der Stadt, zwischen Tradition und Vision, zwischen Gemütlichkeit und Hektik, vor allem aber ein Mann zwischen zwei Frauen: Das ist das Thema des Stummfilmklassikers „Sunrise“ von Friedrich Wilhelm Murnau, der jetzt im Rahmen eines Leinwandkonzerts im Kammermusiksaal des Beethovenhauses präsentiert und live vertont worden ist. Die Aufführung dient als Auftakt einer Kooperation zwischen dem Beethovenhaus und dem Förderverein Filmkultur Bonn, der auch für die hiesigen Stummfilmtage verantwortlich ist.
So ein Publikum sind Terry Hoax kaum noch gewohnt: stehend, feiernd, mitsingend, selbst wenn der Text gerade mal nicht bekannt ist (was laut Frontmann Oliver Perau ohnehin das größte Kompliment ist). In der Harmonie spielt die Band ihr erst viertes Konzert der aktuellen Tour und ist total begeistert, wie enthusiastisch die Menschen im Saal mitmachen. „Ich hatte während des Lockdowns das Glück, wenigstens ein bisschen spielen zu können“, sagt Perau, „und zwar in Altersheimen. Die Bewohner waren gut drauf, aber ihr seid eindeutig besser.“ Kein Wunder – viele sind langjährige Fans der Hannoveraner, die in ihrem Sound durchaus Parallelen zu Fury in the Slaughterhouse aufweisen, aber noch ein bisschen mehr rocken.
Ihre Arbeitskraft wurde geschätzt, ihre Musik ignoriert: 60 Jahre lang haben sich türkische und türkischstämmige Migranten, Exilanten und Gastarbeiter sowie ihre Söhne und Töchter am Aufbau Deutschlands beteiligt, haben es geprägt und zu ihrer Heimat gemacht – und doch blieben ihre Lieder stets fremd, im besten Falle exotisch. Jetzt aber hat ein kleines Orchester um den in Königswinter lebenden Filmemacher und Musiker Nedim Hazar sowie um den Komponisten, Violinisten und Musikpädagogen Ruddi Sodemann Stücke aus drei Generationen einstudiert und als „Deutschlandlieder“ auf die Bühne gebracht. In der Oper Bonn erklangen so nun Volksmusik, Schlager, Jazz, Rock und Rap, auf türkisch, auf deutsch, auf kurdisch, vieles berührend, alles spannend. So vielfältig wie das Repertoire waren auch die mitwirkenden Künstlerinnen und Künstlern; hier reichte das Spektrum von Volkssänger Ali Baran über Jazz-Sängerin Özay Fecht bis hin zu Rapper Eko Fresh.
An Weihnachten darf man durchaus auch mal an ein Wunder glauben. An Vögel, die aus Tüchern auftauchen, an Puppen, die reden können und an Assistentinnen, die sich in einer verschlossenen Kiste in Luft auflösen. Alles nur Humbug, alles nur Tricks? So kann man das natürlich auch sehen. Doch in der neuen GOP-Show „Zauberhaft“ werden genau solche Kunststücke dargeboten. Es sind magische Momente in einer desillusionierten Welt, Momente, in denen das Staunen wieder möglich scheint. Zumindest, bis zur nächsten Moderation, die das Publikum unerbittlich in die Wirklichkeit zurückschleudert, in den Theatersaal statt in das Reich der Fantasie. Denn ein längerfristiger Aufenthalt im Wunderland ist im Konzept von „Zauberhaft“ leider nicht vorgesehen.
Erst die künstlichen und dann auch die echten Tränen: Eva Karl Faltermeier hat den Jurypreis des Prix Pantheon gewonnen und war von diesem Erfolg sichtlich gerührt und bewegt. In ihrer Rolle als weinende, jammernde Ehefrau und Mutter, die an den glamourösen Idealbildern der Instagram-Mamas in ihrer ach so perfekten Welt verzweifelt, hat sich die Südoberpfälzerin gegen vier weitere Finalistinnen und Finalisten durchgesetzt und gilt jetzt offiziell als „Frühreif und verdorben“. „Es macht so eine Freude, wenn eine kluge Frau böse wird“, betonte Jury-Präsidentin Gerburg Jahnke bei der Laudatio auf die 38-Jährige. Dabei hielt sich Faltermeier noch zurück, gab sich mit entsprechendem Make-Up eher aufgelöst denn grantig, eher jammernd denn wütend. Insofern war ihr der Sieg keineswegs gewiss, erst recht nicht angesichts der erfreulich starken Konkurrenz.
Der Prix Pantheon ist einer der renommiertesten Kleinkunst-Wettbewerbe des deutschsprachigen Raums – der Sieg beim Jury- oder beim Publikumspreis nicht immer, aber oft genug ein Sprungbrett für so manchen aufstrebenden Kabarettisten. Jetzt fand die zweitägige Veranstaltung erstmals im Spätherbst statt und präsentierte zehn Künstlerinnen und Künstler, von denen die Hälfte einen Tag später beim Finale erneut antreten darf. Comedians und Comediennes, Poetry-Slammer und Liedermacherinnen, sie alle wollten sich von ihrer besten und vor allem lustigsten Seite zeigen. Ein Ziel, das nicht alle erreichten.
Eigentlich müssten OnAir längst auf größeren Bühnen stehen als auf der im Haus der Springmaus. Immerhin ist das A-cappella-Quintett weltweit ausgezeichnet worden, und zumindest in Deutschland müsste die Formation seit der Teilnahme bei „The Voice of Germany“ massentauglich sein. Andererseits ist die Endenicher Kleinkunstbühne so etwas wie ein zweites Zuhause, und so kommen OnAir eben hierher, um ihre neue Show „Identity“ zu präsentieren. Und die ist genau das, was man bei OnAir erwarten kann: ein Spektakel mit ausgefeilter Lichttechnik, ungewöhnlichen Covern, komplexen Arrangements und fünf herausragenden Stimmen.
Alle haben vor irgendetwas Angst, gerade jetzt. Angst vor Corona, vor dem finanziellen Ruin, vor Isolation und vor Altersarmut. Angst vor der Machtlosigkeit gegenüber dem Wirken der Regierung, Angst vor Fremdem und vor Fremden, Angst vor dem Hass, Angst vor der Opferrolle, Angst vor dem Ablaufdatum der Welt und Angst vor der eigenen Wut. Im Schauspielhaus des Theater Bonn wird dieser amorphen Gefühlswelt nun eine Bühne geboten.
Kontraste sind seit jeher ein besonderes Markenzeichen des Bonner Jazzfests. Intendant Peter Materna liebt das Spiel mit vermeintlichen Gegensätzen, liebt die Reibungen und Färbungen in der Musik und die Kreativität, die in so einem Spannungsfeld entstehen kann. Im Volksbankhaus hat er dieses Konzept nun weiterverfolgt und dabei zwei ganz unterschiedliche Höhepunkte präsentiert: Roger Hanschel und das Auryn Quartett, die das Spiel mit Dissonanzen und Harmonien wahrhaft vollendet beherrschen, trafen am vergangenen Donnerstag auf die norwegische Sängerin Silje Nergaard und ihre heimeligen, gefühlvollen Balladen. Eine reizvolle Kombination, die in dem hohen gläsernen Bau hervorragend zur Geltung kam.
George und Martha haben sich schon längst verloren. Ihre Ehe ist ein Kriegsschauplatz, ihre Liebe dem Hass gewichen, und doch können die beiden Hauptfiguren aus Edward Albees toxischem Beziehungsdrama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ nicht voneinander lassen. Dafür verachten sie sich zu sehr und gönnen dem anderen zu wenig, noch nicht einmal die Genugtuung der Einsamkeit. Doch als der junge Biologieprofessor Nick und seine Frau Putzi eines Nachts von Martha zu einem After-Party-Umtrunk eingeladen werden, greift dieses Gift um sich – bis es Opfer fordert. Jetzt hat das Euro Theater Central den Klassiker neu inszeniert.
Der Tod tanzt mit. In den Clubs und Bars von Berlin bis New York, in denen während der 1920er Jahre der Exzess gefeiert und die Freizügigkeit gelebt wird, in denen alles erlaubt und nichts unmöglich scheint, in denen das Leben pulsiert und jeder Moment ausgekostet wird, überall dort ist auch der Schnitter unter den Gästen. Diesen Tanz auf der Rasierklinge, zwischen Aufstieg und Untergang, haben Evi Niessner und ihre M & G Showcompany schon vor zwei Jahren in eine spektakuläre Burlesque-Show verwandelt – bis der Lockdown kam und alle Aufführungen mehrfach verschoben werden mussten. Jetzt aber war „Glanz auf dem Vulkan“ an gleich zwei Terminen im Bonner Pantheon zu bewundern. Und eins wurde schnell klar: Das Warten hat sich gelohnt.
Eigentlich könnte es so einfach sein: Unser Gehirn ist das mit Abstand komplexeste Organ auf der Welt, ein biochemischer, neuronaler Hochleistungsrechner, dessen Aufbau selbst das deutsche Verwaltungsrecht wie eine Leselöwen-Seite aussehen lässt. Doch warum verstehen die meisten Menschen besagtes Recht trotzdem nicht, und die Rechtsprechung noch viel weniger? Vielleicht kennt Werner Koczwara die Antwort darauf. Der 64-jährige Kabarettist, der sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten wiederholt den Abgründen und Absurditäten der Juristerei gewidmet hat, beschäftigt sich in seinem aktuellen Programm immerhin mit der Hirnforschung. Doch wenn er des Rätsels Lösung kennt, hat er sie im Haus der Springmaus für sich behalten – dafür aber so manch anderen Trick zu erklären versucht.
Bowls gehen immer. Die Veröffentlichung von geometrischem Essen in Schüsseln scheint einer der neuesten Trends der sozialen Medien zu sein, einer, bei dem neuerdings auch Rainald Grebe mitmacht. Und das Konzept in der Bonner Oper kurzerhand weiterdenkt. Schließlich kann alles Bowl sein oder zumindest Bowl werden: Der Reichstag etwa oder Pierre Bowlcuse. Man kann sogar sein gesamtes Leben am transzendierten Bowling ausrichten, entkommt so Ecken und Kanten und dem großen Durcheinander. Auf einmal ist alles klar, offenbart sich doch die Struktur im scheinbaren Chaos. Alles andere wird nebensächlich, das Verhältnis von Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, nationaler Identität und dem verbotenen N-Wort.
Seit Wochen ist das Bonner Jazzfest bemüht, sämtliche Veranstaltungen nachzuholen, die aufgrund der Corona-Pandemie wieder und wieder verschoben werden mussten. An diesem Wochenende fand nun ein Doppelkonzert statt, das eigentlich Ende April 2020 den Auftakt des Festivals hätte bilden sollen: Im Telekom Forum trafen das Bundesjazzorchester (BuJazzO) sowie Jazz-Legende Klaus Doldinger mit seiner Band „Passport“ aufeinander. Hier die Novizen, die in den kommenden Jahren den Jazz prägen werden, dort der Meister, der auch mit 85 Jahren noch Magie wirken kann. Eine spannende, aufregende, faszinierende Kombination, die für ein überaus vielfältiges Programm zwischen Tradition und Moderne sorgten.
Die gesamte Harmonie singt, immer die selben Töne, wieder und wieder, ohne müde zu werden. Wie auch angesichts der Glückshormone, die durch die gut 200 Körper pulsieren, ausgelöst durch ein Konzert, das alle in seinen Bann gezogen hat. Zum ersten Mal ist die französische Progressive-Rockband Lazuli zu Gast in Endenich, nach zwei verschobenen Terminen – und was das Quintett um die beiden Leonetti-Brüder Dominique und Claude abliefern, ist nicht weniger als eine Offenbarung. Was für eine Vielfalt, was für eine Leidenschaft, was für ein Genuss. Da muss man manchmal einfach mitsingen. Und Lazuli? Geht darauf ein, lässt Drummer Vincent Barnavol und Keyboarder Romain Thorel einfach mal machen, lässt sie improvisieren und die Impulse des Publikums aufnehmen, ganz spontan und gerade dadurch so unglaublich ehrlich.
Die Musik der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland ist der breiten Öffentlichkeit bis heute weitgehend fremd. Dabei hat sie in den vergangenen 60 Jahren, seit die ersten Gastarbeiter über Istanbul in die Bundesrepublik kamen, mehr als einmal Geschichte geschrieben. Nun wollen der in Königswinter lebende Filmemacher und Musiker Nedim Hazar sowie der Komponist, Violinist und Musikpädagoge Ruddi Sodemann diese Melodien ins rechte Licht rücken. Sie haben zwölf türkische Sängerinnen und Sänger aus drei Generationen, drei Ensembles und vier Instrumentalisten zusammengetrommelt und das Konzertprojekt „Almanya Türküleri – Deutschlandlieder“ ins Leben gerufen, das einen einzigartigen Einblick in eine Art von Musik gewährt, die für viele ungewohnt klingen mag – und die doch schon längst ein Teil von Deutschland ist.
Was haben Portugal und Russland, Frankreich und der Orient gemeinsam? Musik. Und Noëmi Waysfeld. Die 36-jährige Sängerin, die im Rahmen des „Over the Border“-Festivals in der Harmonie aufgetreten ist, hat bei einer intensiven Spurensuche nach ihren eigenen Wurzeln Ost und West und Nord und Süd zusammengebracht, hat Flamenco und Fado ins Russische (und ins Jiddische) übertragen, Lieder aus den Shtetl und französische Chansons miteinander verschmolzen und diese Melange mit einer guten Dosis Jazz veredelt. Eine komplexe, anspruchsvolle Arbeit, die auf der Bühne jedoch selbstverständlich wirkt, überhaupt nicht fremd und gekünstelt, sondern so, als hätte die Musik durchaus so wachsen können.
Jetzt darf er endlich wieder. Auf der Bühne stehen. Singen. Freund einladen. Sich ausprobieren. Max Mutzke hat diese Möglichkeiten, die ihm die Reihe „Quatsch keine Oper“ in Bonn seit einigen Jahren bietet, während der vergangenen anderthalb Jahre schmerzlich vermisst. Umso glücklicher ist er, dass er nun gleich zwei Konzerte an einem Tag geben darf und beide das Haus am Boeselagerhof gut füllen, während alle anderen Auftritte seiner „Wunschlos süchtig“-Tour auf 2022 verlegt wurden. In der Bundesstadt genießt der 40-Jährige allerdings auch großes Vertrauen, gilt er doch als Garant für feinen Soul-Pop und für spannende Überraschungsgäste. Dem wird Mutzke auch diesmal gerecht – trotz einiger musikalischer und komödiantischer Schwächen.
Den Facettenreichtum der Zauberkunst zeigen: Das ist ein erklärtes Ziel von Christopher Köhler. Eines, das er alleine allerdings nicht erreichen kann. Deshalb hat der selbst ernannte Bad Boy der deutschen Zauberszene zum inzwischen dritten Mal Kollegen um sich geschart, die mit ihm zusammen auftreten und das Publikum überraschen, verblüffen und schockieren wollen. Im Pantheon haben sich „Die Magier“ damit allerdings schwer getan. Zu kleinteilig waren ihre Tricks, die sich auf der großen Bühne oft nur mit einer Videokamera einfangen ließen, und zu schwach war mitunter die Dramaturgie. Dabei gab es durchaus einige faszinierende Momente – zumindest bei Mellow, der nur unter seinem Pseudonym genannt werden will.
Er war ein Orkan, eine Naturgewalt, ungestüm, animalisch, expressiv, ein Sänger mit großen Gesten und noch größerem Pathos, der aber gleichzeitig ungemein empathisch sein konnte: Jacques Brel gilt bis heute als einer der wichtigsten Chansoniers – und gerade wegen seines Temperaments als große Herausforderung für jeden, der ihm auch nur ansatzweise gerecht werden will. Jetzt hat sich der Schauspieler Gregoire Gros, der in der Spielzeit 2012/2013 am Theater Bonn engagiert war und dort auf den Regisseur Michael Barfuß traf, eben jenen Brel zur Brust genommen und ein abendfüllendes Programm zusammengestellt. Im Pantheon taucht er tief in das Wesen des Belgiers ein, nimmt sich seiner Lieder an und macht sie sich zu eigen. Was schon an sich große Kunst ist.
Das Leben ist wie eine Packung Colorado: Schön, so lange es Stafetten gibt, zunehmend stressiger, je mehr man nach diesen suchen muss, und am Ende ziemlich enttäuschend, weil nur noch Himbeeren übrig sind. Da hilft nur eine neue Packung. Oder ein Gemüt wie das von Frieda Braun. Die charmante Schrulle aus dem Sauerland hat nämlich schlichtweg keine Zeit zum Jammern, dafür ist sie viel zu beschäftigt, die zahlreichen Eigenarten ihrer legendären „Splittergruppe“ samt des dazugehörigen Anhangs zu notieren und darüber zu referieren. Am liebsten vor Publikum. Nun war sie mit ihrem neuen Programm „Jetzt oder nie“ im Haus der Springmaus zu Gast.
Vor der Bühne ist es an diesem Abend so richtig voll. Menschen stehen dicht an dicht, jubeln, rocken und schütteln die langen Haare zum Takt der Musik des zweiten Crossroads-Tags in der Harmonie, so als ob die vergangenen anderthalb Jahre nur ein böser Traum gewesen wären. Ein schöner Anblick, vor allem für die Kamerafrauen und -männer des WDR, die es sichtlich genießen, endlich wieder solche Bilder einfangen zu können. Alles dank Vola. Die dänische Band, die irgendwo zwischen futuristischen, elektronischen Klanggebilden und knallharten Metalriffs ihre musikalische Heimat gefunden haben, hat eine ebenso furchtlose wie eingeschworene Fan-Gemeinde, die sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen will, das Quartett um Frontmann Asger Mygind ausgelassen zu feiern. Und natürlich mitzusingen. Schließlich ist man ja textsicher, und hymnische Passagen wie bei „Alien Shivers“ verlangen geradezu nach einem Chor. Was für ein Gänsehaut-Moment. Und was für ein Konzert.
Es ist schön, es ist seltsam, es ist ungewohnt: Anderthalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie stehen die Menschen wieder in der Harmonie und genießen ein Konzert, ohne Maske, ohne Abstand, ganz entspannt und freudig erregt über ein Ereignis, das fast so etwas wie die Rückkehr zur Normalität einläutet. Der Saal ist zwar nicht so voll wie früher – noch begrenzen ein paar Regeln die Größe von Veranstaltungen in Clubs –, die Stimmung dafür wieder so ausgelassen, wie sie sein soll, während auf der Bühne gerockt wird.
Ein bisschen Swing hat noch niemandem geschadet. Selbst Beethoven nicht, auch wenn manche Klassik-Liebhaber dieser Aussagen vielleicht wiedersprechen mögen. Doch dann haben sie noch nie gehört, wie Marcus Schinkel und Joscho Stephan mit den Werken des großen Komponisten und seiner Kollegen Robert Schumann, Franz Liszt und Wolfgang Amadeus Mozart umgegangen sind: Liebevoll und wagemutig zugleich, mit Esprit, Schwung und Witz und eben einer ordentlichen Dosis Swing. Gypsy-Swing, um genauer zu sein. Immerhin wollen sich die beiden Musiker, die mit ihrer Band die Konzertreihe „Klassik in der Scheune“ eröffnet haben, Django Reinhardt und Stéphane Grapelli ebenso würdigen wie die genannten Vertreter der Klassik. Ein Anliegen, das in der Kirche St. Maria Königin des Friedens in Königswinter, die in diesem Jahr statt der Zehntscheune im Kloster Heisterbach als Konzertsaal dient, einmal mehr eindrucksvoll umgesetzt wurde.
3000 Euro? Ein Pappenstiel für eine Bank. Doch wenn es um Darlehen geht, sind die Berater knallhart. So wie der junge, smarte, erfolgreiche Filialleiter Götz (Patrick Dollmann) in Jordi Galcerans Komödie „Der Kredit“, die jetzt im Kleinen Theater Bad Godesberg eine umjubelte Premiere feierte. Götz ist stolz darauf, dass er sich grundsätzlich nicht erweichen lässt, ob seine Kunden ihn nun beknien oder in Tränen ausbrechen; stets bleibt er charmant, in der Sache aber unerbittlich. Keine Sicherheiten, kein Geld, noch nicht einmal einen Cent, das ist einfache Mathematik. Doch bei Anton Schmidt (Claus Thull-Emden) stößt er mit diesem Verhalten auf taube Ohren. Immerhin verfügt dieser unscheinbare Mann über ein geheimes Talent: Er ist ein Frauenflüsterer, und er ist bereit, diese Fähigkeit einzusetzen, wenn ihn die Umstände dazu zwingen. „Wenn Sie mir den Kredit nicht geben, dann schlafe ich mit ihrer Frau“, sagt er. Eine absurde Behauptung. Oder doch nicht?