Ein bisschen Spaß muss sein, gerade zu Weihnachten. Ohne eine ordentliche Portion Humor lassen sich die familienfreudigen Festtage ja mitunter kaum ertragen. Schon gar nicht in Finnland, wo es unterm Weihnachtsbaum nur die Wahl zwischen Schnaps und Totschlag zu geben scheint. Das behauptet zumindest Sanna Nyman, die einzige Frau im a-capella-Comedy-Quartett LaLeLu, das wie beinahe jedes Jahr erneut ins Haus der Springmaus gekommen ist, um das Publikum auf die bevorstehende Zeit vorzubereiten. Was ihnen aufgrund von Intonationsproblemen nicht immer leicht fällt – aber dank einiger guter böser Ideen am Ende doch gelingt.
Die Bässe dröhnen, die Luft bebt im Rhythmus und auch die Arme des Publikums wippen im Takt: Der letzte Auftritt von Gentleman in diesem Jahr geht für den deutschen Reggae-Musiker auf. Klar, er hat ja auch Heimspiel hier in Köln, da kann eigentlich nichts schief gehen, vielleicht mal abgesehen vom Sound, der schlichtweg zu laut ist für das Carlswerk Viktoria, zu dumpf und zu schwer. Der Menge ist das allerdings egal. Sie will einfach nur das Leben feiern und ausgelassen tanzen, will das eigenwillige Amalgam aus Roots, Hip Hop und Rock genießen und zumindest anderthalb Stunden abtauchen. Und dafür ist die Musik von Gentleman durchaus geeignet.
Es ist immer schön zu sehen, dass noch nicht alle aber doch immerhin manche Künstler nach zweieinhalb harten Jahren wieder da weitermachen können, wo sie vor der Corona-Pandemie aufgehört haben, nämlich in ausverkauften Clubs mit einem entspannten Publikum und der eigenen, berührenden, aufregenden Musik. Für das Tingvall Trio gilt dies auf jeden Fall, zumindest in der Bonner Harmonie. Gleich zwei Abende hintereinander spielen Pianist Martin Tingvall, Bassist Omar Rodriguez Calvo und Drummer Jürgen Spiegel vor vollem Haus, nehmen das Publikum mit zu einer Reise durch die Welt des Tanzes und in die schwedischen Wälder, verzaubern mit herrlichen Melodielinien und euphorisieren durch druckvolles Schlagzeugspiel. Ein Genuss für Ohren und Seele.
Es gibt Dinge, die kann man nicht ändern. Weniger, als in der Regel behauptet wird, aber auch mehr, als einem lieb ist. Doch nur weil etwas unvermeidbar scheint, kann man trotzdem dagegen aufbegehren. Oder zumindest dagegen ansingen. So wie Lennart Schilgen: Der Liedermacher und Prix-Pantheon-Jurypreisträger nimmt sich in seinem aktuellen Programm „Verklärungsbedarf“ bereitwillig den Kampf gegen die Windmühlen auf, gegen die Entschlossenheit, Erwartungshaltungen und das permanente Streben nach Neuem. „Warum ein neues Jahr, mir reicht das letzte noch“, säuselt er mit sanfter, fast schon schüchterner Stimme und trifft damit in der Pantheon-Lounge ganz den Ton des Publikums. Ein bisschen Pessimismus kommt eben an. Er muss nur richtig verpackt sein.
Es ist für Gerburg Jahnke gar nicht so einfach, männerfreundlich zu sein. Aber sie bemüht sich, allen bisherigen Erfahrungen zum Trotz. Immerhin ist sie gut im Training, seit ihr eigener Mann angesichts des nahenden Winters und der wachsenden Bedrohung durch wilde Eichhörner wieder ins Haus gekommen ist – und diese Übung kann sie brauchen, ist sie doch derzeit gleich mit drei anderen Herren zusammen. Auf der Bühne, versteht sich. Aber selbst das ist ungewöhnlich für Frau Jahnke, die sich sonst ja lieber mit Gästinnen umgibt. Andererseits sind ihre drei „Jungs“ schon was Besonderes, wie sich in Bonn jetzt im Rahmen von Quatsch keine Oper herausstellt: Scharfsinnige Kabarettisten, Poeten und Gentlemen alter Schule. Wobei die letztgenannte Rolle auch Wilfried Schmickler, Herbert Knebel und – in geringem Maße – Fritz Eckenga vor eine Herausforderung stellt.
Oh je und Ach, was geht es und schlecht. Alles geht den Bach runter, die Welt zerfällt und im Schlaraffenland namens Deutschland werden die Dinkelbrötchen rar. Schlimmer geht’s nimmer. Obwohl – doch. Und gerade deshalb kann und muss Wilfried Schmickler sich auch über so manche Befindlichkeiten ärgern und sie mit der ihm eigenen satirischen Schärfe kommentieren, so wie am Halloween-Abend im Pantheon. Denn eigentlich steht die Bundesrepublik noch gut da, jetzt, am Anfang vom Ende des goldenen Zeitalters des Konsums und des unbegrenzten Wachstums. So lange sich die Menschen lediglich über das Programm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender aufregen, über Plagiate und Abschreibungen und über die Unterschiede zwischen Jammer-Ossis und Besser-Wessis, so lange ist Panik unangebracht.
Abba, Lady Gaga, Gerry Raferty, Boney M, Robin Schulz: alles in Blech. Und alles mit Techno-Beats. Was wirklich hervorragend klingt, zumindest wenn Knallblech diese Transformation vornimmt. Die jüngste Brass-Kombo aus der Musik-Brutstätte des Kardinal-Frings-Gymnasiums, das immerhin schon die Bands Querbeat und Druckluft hervorgebracht hat, bedient sich für ihre erste Tour frei nach dem Motto „the Beat goes on“ ausgiebig in der gesamten Pop-Geschichte, verschmilzt Klassiker und Chart-Erfolge unter Einbeziehung eines DJs zu einer ganz eigenen Melange und schmettert das Ergebnis dann grinsend dem Publikum um die Ohren. Jetzt haben Knallblech erstmals in der Harmonie gespielt, dort aber dennoch Heimspiel gehabt – und angesichts der Stimmung im Saal dürfte dies erst der Anfang gewesen sein.
Bewegte Zeiten stellen Kabarettisten vor immense Herausforderungen, zumindest wenn sie aktuell sein wollen. Einmal umgedreht, schon hat sich die Weltlage wieder verändert – also alles neu schreiben. Was insbesondere bei einer Radio-Aufzeichnung, die erst anderthalb Wochen später ausgestrahlt wird, ein klitzekleines Zeit-Problem aufwirft. Dennoch haben die Künstlerinnen und Künstler, die am vergangenen Donnerstag beim WDR Kabarettfest im Pantheon aufgetreten sind, die Herausforderung angenommen und zumindest die ein oder andere Pointe gewagt, die schon überholt sein könnte, wenn sie denn endlich über den Äther geht. Das Live-Publikum hat schlichtweg nicht weniger verdient. Und der Ruf der Künstlerinnen und Künstler erst recht nicht.
Größe ist oft nur eine Frage der Perspektive. Rund 25.000 Menschen haben sich an diesem Dienstagabend auf der Hofgartenwiese versammelt, eine gigantische Menge für ein Konzert in Bonn – für Robbie Williams, einen der erfolgreichsten Entertainer seiner Zeit, sind das allerdings geradezu überschaubare, heimelige Dimensionen. Erst vor einigen Tagen hat er auf dem Messegelände in München vor rekordverdächtigen 90.000 gespielt, so wie sich das für einen Superstar seines Formats gehört, und einst stand er sogar auf noch größeren Bühnen. Zwar liegen die größten Erfolge seit fast 20 Jahren hinter ihm, als Robbie mit „I've been expecting you“, „Swing when you're winning“ und „Escapology“ ein geniales Album nach dem nächsten veröffentlichte, doch sein Status als Pop-Legende ist immer noch ungebrochen, seine Fan-Basis riesig, der Andrang immens. Das ist nicht selbstverständlich, und der 48-Jährige weiß das. Auch wenn der Auftritt in der Beethovenstadt im Vergleich zu dem in München nur eine kleine Nummer sein mag, gibt Robbie aus genau diesem Grund knapp zwei Stunden lang alles, rockt und tanzt, strahlt und leidet, sich am Jubel der Menge ergötzend und zugleich immer wieder um Anerkennung bettelnd. Beides bekommt er. Und zwar zu Recht.
Die Roboter kommen. Sie sind an diesem Abend die zentralen Akteure, sie, die Avatare der wohl wirkmächtigsten Pioniere elektronischer Musik, ikonisch in roten Oberteilen und blauen Hosen. Während die menschlichen Körper von Kraftwerk nahezu regungslos auf ihren ikonischen Keyboard-Podesten verharren und sich als Mensch-Maschinen ganz der Symbiose von Kunst und Künstlichkeit verschrieben haben, sind ihre Alter Egos auf der gigantischen Projektionsfläche in ihrem Rücken etwas bewegungsfreudiger. Und doch sind auch sie nur Rädchen im Getriebe einer bis ins kleinste Detail durchkonzipierten und optimierten Show in 3D, die auf dem Hofgarten 25.000 Besucher für rund zwei Stunden völlig in ihren Bann zieht.
Was lange währt, wird endlich gut – getreu dieses Mottos sind am vergangenen Sonntag mehr als 9000 Menschen auf den KunstRasen gekommen, um den Auftritt von Sting in der Gronau zu erleben. Dreimal musste das Konzert des legendären Sängers und Bassisten in den vergangenen Jahren verschoben werden, wegen einer Halsinfektion und wegen Corona, und als im April sowohl in Oberhausen als auch in Köln weitere Absagen wegen positiver Covid-Fälle folgten, war die Sorge der Fans groß, dass auch der Termin in Bonn wackeln könnte. Tat er aber nicht. Vielmehr erklomm Sting nur mit ein paar Minuten Verspätung die Bühne, stilecht mit gestreiftem Shirt und gelber Lederjacke, und legte los. Und zwar nicht etwa mit den Stücken seines neuen Albums „The Bridge“, sondern mit „Police“-Klassikern und den großen Hits seiner Solojahre, die das Publikum von ihm erwartet: „Message in a Bottle“, „Englishman in New York“, „Every Little Thing She Does Is Magic“, ein berühmter Titel nach dem anderen, sehr zur Freude der Fans.
olk-Fans sind wetterfest. Diese Beobachtung ist die erste Lehre des FolkPicknicks, das am vergangenen Samstag auf dem KunstRasen-Gelände in der Gronau Premiere gefeiert hat. Die zweite: Als Folk gilt vieles, selbst Rock. Und die dritte: Mit Live-Musik geht alles besser, ohne Musik dagegen nichts. Klingt banal, fasst die Veranstaltung, die der KunstRasen-Verein ins Leben gerufen hat, aber gut zusammen. Denn immer wenn eine Band auf der improvisierten Bühne des VIP-Bereichs aufspielte, waren alle Sorgen vergessen, die Menschen entspannt und das unbeständige Wetter nur noch halb so irritierend. Was längst nicht selbstverständlich war.
Der Mensch ist ein Monster. Nicht immer, zugegeben: Manchmal kann er etwas wirklich Wunderbares schaffen. Aber genauso gut kann er zerstören, vernichten, auslöschen, morden, vergewaltigen und brandschatzen, und spätestens nach einem Besuch von Sarah Kanes Drama „Zerbombt“ hat man eine Vorstellung davon, was das bedeutet. Das Stück, das das Euro Theater Central aktuell inszeniert, ist alles andere als schön, keine entspannte Unterhaltung, kein Genuss, kein Spaß. Es ist furchtbar, ekelhaft, brutal. Und doch wichtig, gerade in der heutigen Zeit. „Wir müssen uns einfach gewissen gesellschaftlichen Fragen stellen, wenn wir verhindern wollen, dass die Welt so wird, wie das Stück sie zeigt“, erklärt ETC-Intendantin Ulrike Fischer. „Diese intensive, unmittelbare Art des Diskurses vermag nur das Theater einzuleiten.“
Da tanzt er wieder, hemmungslos, mit wild schwingenden Armen, ein bisschen unbeholfen, eigenwillig, eigenartig, so wie es einst viele Jugendliche auf Partys und in Diskotheken taten, vor allem jene, die nicht selbstbewusst genug waren, um ihre Bewegungen als cool zu verkaufen, aber so musikverrückt, dass sie sich einfach bewegen mussten. Ersteres trifft auf Gustav Peter Wöhler längst nicht mehr zu (wenn überhaupt), letzteres auf jeden Fall. Die Auftritte mit seiner Band sind die zweite Leidenschaft des feinsinnigen Schauspielers, der liebevoll Pop- und Rock-Klassiker neu interpretiert, ganz reduziert, ausschließlich akustisch und mit viel Gefühl. So wie jetzt im Pantheon, wo er dem Publikum einen wunderbaren Abend beschert.
So soll also die Zukunft klingen: Synthpop-Sounds über groovenden Drums, oft vertrackt, gerne auch improvisiert – und immer wieder kollabierend, so als würde ein Schwarzes Loch sämtliche Strukturen zerreißen, bis die Vorstellungen von Harmonie, Rhythmus und Klang keine Gültigkeit mehr haben. Was bleibt, sind Geräusche, und selbst die halten an diesem seltsamen Ort in dieser seltsamen Zeit nicht lange vor. Zum Glück finden Liun and the Science Fiction Band, die jetzt im Rahmen des Jazzfests im Pantheon spielten, immer wieder den Weg zurück in das normale Universum, in dem Musik nicht nur ein Rauschen ist, sondern eine Ansammlung von Soundflächen und wummernden Bässen, von Melodien und Samples, von eigenwilligen Beats und flirrenden Motiven – und dem klaren, kühlen Gesang von Lucia Cadotsch.
Im weitesten Sinne ist Jazz ja offen für alles. Zum Glück, würde man doch bei dem Versuch, die Jazzfest-Konzerte von Andrea Motis und Oliver Leichts Formation [acht.] mit engen Definitionen zu beschreiben, schnell an seine Grenzen stoßen. Die Musik der beiden Bandleader, die am vergangenen Sonntag im Pantheon auftraten, verweigert sich klaren Einordnung, ist irgendwo dazwischen und mit allem vernetzt, baut Bigband-Sounds ebenso ein wie Orchestrales, Rock, Pop, Latin und zeitgenössische Klassik und verschränkt Sounds ebenso gerne wie Rhythmen und Harmonien. Bestechender als all diese Gemeinsamkeiten waren allerdings die Unterschiede – und die Energie im Saal.
Puccinis „Turandot“ mit einer Cellistin und einem Bariton? Klingt nach einer scheinbar unmöglichen Aufgabe, ist für Carrie Puddleton (Rebecca Carrington) und Laurence Longstaff (Colin Brown) aber lediglich die Aufwärmphase. Die beiden britischen Musiker, die als einzige Mitglieder der fiktiven Royal Imperial Victorian Opera Company, die es auf den Kontinent geschafft haben – alle anderen stecken im Zoll fest. Brexit eben. Und Bürokratie. Eine überaus problematische Mischung.
Also mal ganz ehrlich: Kaffee im Schuh beziehungsweise in den Gummistiefeln, wer könnte das nicht mögen? Kaffee to go, mit Wärmefunktion, das ist doch genial. Ein „Weltgerät“, ja sicher. Marke Eigenbau. Von Dittsche höchstpersönlich entworfen. Und der hat ja Ahnung. Von allem, vor allem aber vom Basteln. Der Heimwerkerkönig unter den Gescheiterten, der Tim Taylor von Hamburg-Poppenbüttel. Der mit dem Bademantel und den Schumiletten. Ja, genau der. Dittsche eben. Jetzt war die schräge Kunstfigur zu Gast im Bonner Brückenforum und hat aus seinem Leben erzählt. Und von seinen Erfindungen.
Marokkanischer Rock, so scheint es, ist bescheiden. Drei Saiten, mehr braucht es nicht, um es krachen zu lassen, drei Saiten und einen hypnotischen, gleichzeitig aber komplexen Beat. Dann jault die Gimbri, die Binnenspieß-laute aus dem Maghreb, in den Händen von Brice Bottin auf, während der Franzose, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt und den Oberkörper in typischer Gitarristen-Pose nach hinten gebogen, in ein exzessives Solo einsteigt und einen fremdartigen, eigenwilligen Klangteppich erschafft.
ie Harmonie steht Kopf. Gerade stimmt ein kapverdischer Multiinstrumentalist mit einer portugiesischen Straßenmusikerin, einer Bonnerin mit rumänischen Wurzeln und einer Sängerin aus Angola eine Hymne an, die von Einheit und Frieden kündet, von der Überwindung von Hunger und Leid und von einer Welt, die alle Menschen ein- und nicht andere ausschließt. Und die Menge im Saal macht begeistert mit, wohl wissend, dass ist eine derartige Vielfalt auf der Bühne keineswegs selbstverständlich ist, erst recht nicht in Corona-Zeiten. Doch Konzertveranstalter Manuel Banha hat es mal wieder hinbekommen. Sein „Over the Border“-Weltmusikfestival ist der Beweis dafür, dass weder Grenzen noch Viren die Menschen dauerhaft daran hindern können, zusammenzukommen, zusammenzustehen und zusammen zu singen. Über drei Wochen hinweg werden Künstlerinnen und Künstler aus 22 Nationen in der Harmonie, dem Pantheon und dem Telekom Forum (sowie einmal im Café Hahn in Koblenz) auftreten. Jetzt haben die Local Ambassadors den Veranstaltungsreigen eröffnet.
Was ist nur mit Justus los? Ausgerechnet er, der Ingenieur mit dem Glauben an den Fortschritt und an die Effizienz, hat sich in der Corona-Pandemie gewandelt und hat sich den Querdenkern angeschlossen. Das kann Christian Ehring einfach nicht verstehen. Was hat seinen besten Freund nur so umgepolt? Ihn und so viele andere, die der Wissenschaft einfach nicht mehr zuhören und die Logik nicht länger akzeptieren? „Es gibt Menschen, die liegen mit Corona auf der Intensivstation und betonen immer noch, dass es gut war, sich nicht impfen zu lassen“, sagt Ehring. Versteht er nicht, behauptet er zumindest. Dabei ist der Kabarettist und Extra-3-Moderator wahrscheinlich näher an der Wahrheit als viele andere. In seinem aktuellen Programm „Antikörper“ schaut er mit kritischem, aber auch offenem Blick auf die vergangenen zwei Corona-Jahre zurück – und erweist sich als exzellenter Analytiker der vermeintlichen Schwarz-Weiß-Situation mit einem feinen Gespür für die Grauzonen.
Die ganze Welt besteht als Bubbles. Aus Familien, Freundinnen und Freunden, Nationalitäten und sonstigen Gesellschaftskonstrukten, aber auch aus Fans eines bestimmten Musikstils oder den Followern eines Influencers. Mit diesen und anderen Filterblasen haben sich nun neun Jugendliche im Theater Marabu auseinandergesetzt und aus ihren eigenen Erfahrungen und Perspektiven heraus eine einstündige Collage aus Info-Texten und Choreographien entwickelt. Jetzt konnte „Bubble Up Your Life“ vor ausverkauftem Haus eine umjubelte Premiere feiern.
Eigentlich war 2021 alles andere als zum Lachen. Die Flutkatastrophe an der Ahr, die Corona-Pandemie und der völlig missglückte Afghanistan-Rückzug haben den Menschen vieles verleidet. Dennoch will die alljährliche Schlachtplatte, der kabarettistische Jahresrückblick mit der Lizenz zum Kalauer, die größten Themen Revue passieren lassen (bis auf das Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, denn darüber macht man keine Witze). Ein ambitioniertes Vorhaben. Doch eines, das durchaus gelingt: In ihren besten Momenten servieren Robert Griess und seine Kollegen Henning Schmidtke, Dagmar Schönleber und Sebastian Rüger im gut gefüllten Haus der Springmaus ihre Gerichte so heiß, dass sie schmerzen, und dann wieder so leicht, dass es Freude macht.
Was wäre die Welt ohne Traurigkeit. Ein Ort, an dem alle nur glücklich sind, nur fröhlich und vergnügt, ein modernes Arkadien voller Licht und Liebe. Manche würden mit verklärter Stimme von einem Paradies sprechen. Sterbenslangweilig wäre es da, würde Tina Teubner wahrscheinlich stattdessen sagen, denn wie will man die guten Dinge schätzen, wenn man die schlechten nicht mehr kennt. Und was wäre der Menschheit entgangen ohne die klagende Melancholie. Beethoven und Mozart. Tom Waits und Leonard Cohen. Charles Bukowski und Fjodor Dostojewski. Tina Teubner und Ben Süverkrüp. Die beiden letztgenannten bekennen sich im Kammermusiksaal des Beethovenhauses sogar ausdrücklich zu den düsteren Seiten des Lebens, die so oft als Inspiration für die ganz große Kunst dienen – und zeigen in einer Mischung aus Konzert, Deklamation und Lesung, das Schönheit auch im Dunkeln strahlen kann.