Wilfried Schmickler: „Ich verstehe immer weniger“

Was ist nur mit den Menschen los? Früher gab es gewisse Konstanten im Leben, angefangen bei der täglichen Arbeit und hin bis zu den etablierten Parteien, und heutzutage ist alles im Fluss und jeder verwirrt. Auch Wilfried Schmickler. „Ich verstehe immer weniger“, sagt er bei einem Auftritt im Pantheon, und das ist schon bedenklich bei jemandem, der schon des Berufs wegen alles hinterfragt. Doch Antworten sind rar geworden, vor allem einfache und damit verständliche, und wenn es dann auch noch um Menschen geht, ist eh Hopfen und Malz verloren. Warum jeder bereitwillig sein ganzes Leben im Internet teilt und die Transparenz bis hin zum digitalen Exhibitionismus treibt, ist Schmickler ein Rätsel, ebenso wie die Weigerung der Masse, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen und sich einzuschränken. Und die letzten Wahlergebnisse der AfD – ach, lassen wir das besser.

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Damian Wilson: Eine wirklich nette Familie

Was für eine Stimme. Was für eine Ausstrahlung. Und was für ein Charme. Damian Wilson ist ohne Frage eine Ausnahme-Erscheinung, sowohl als Sänger als auch als Mensch. Der 55-Jährige, der vor allem in der Prog-Rock-Szene für seine klare, vielseitige und sowohl in den Höhen als auch in Baritonlagen sichere Stimme geschätzt wird, ist einfach ein unglaublich sympathischer Zeitgenosse. Das hat er schon 2023 bewiesen, als er mit seiner eigenen Formation erstmals in die Harmonie kam und neben eigenen Stücken vor allem Hits von den Bands Ayreon, Headspace und Treshold darbot, die Wilson mehr oder weniger nachhaltig geprägt hat. Jetzt ist er zurückgekommen, mit einem ganz anderen Programm. Und mit seinem Bruder.

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Jazztube: Unter Artenschutz

So geht Nachwuchsförderung: Seit mehr als zehn Jahren ist die Konzertreihe Jazztube, die Impressario Thomas Kimmerle mit Unterstützung der Stadtwerke Bonn realisieren darf, ein Garant für neuen, frischen, unverbrämten und energiereichen Jazz. An drei Terminen spielen drei Bands an ebenso vielen Straßenbahn-Haltestellen – das Publikum bestimmt schließlich per Abstimmung, wer beim großen Finale in Pantheon noch einmal auftreten darf. Jetzt konnten Kimmerle und die Geschäftsführerin der SWB Bus und Bahn, Anja Wenmakers, wie gewohnt drei sehr unterschiedliche und durchaus spannende Formationen in Beuel begrüßen, die alle auf ihrer Weise einzigartig und eigenwillig sind. Und hörenswert. Sofern man für Jazz offen ist.

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„Schlachtfest“: Die Auswüchse der Komödie

Theater gab es schon immer. Es ist Bild gewordene Narration, eine Erzählung für alle Sinne, die bewegen kann, berühren und unterhalten. Nun hat sich Kabarettist Robert Griess, Erfinder und Nukleus der alljährlichen „Schlachtplatte“, auf die Fahnen geschrieben, 3000 Jahre Theatergeschichte in einem Abend zu vereinen und gleichzeitig aktuelle Themen zu verhandeln. Was noch nicht einmal schlaglichtartig funktionieren kann, auch nicht mit einem fünfköpfigen Ensemble (ergänzt um zwei Musiker) – wer konsequent auf eine Pointe hinarbeitet, kann nun einmal nicht die gesamte Bandbreite des Theaters abbilden. Was jetzt nicht heißen muss, dass das „Schlachtfest“ von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Es ist, wie ein Auftritt im Haus der Springmaus zeigt“ nur anders als erhofft. Und weitgehend so wie erwartet.

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Voyager IV: Nur ein bisschen Wagner

Sie schwingen alle mit: Alberich und Fafnir, Siegfried und die Walküren und die Loreley. Mythen und Sagen entlang des Rheins sind die Grundlage der neuen Voyager-IV-Platte „Rheingold“, die das Quartett jetzt in der Harmonie vorgestellt hat. Ein interessantes Projekt, in dem Komponist Richard Wagner durchaus eine Rolle spielt, wenn auch eine deutlich kleinere als man zunächst denken könnte. Denn im Mittelpunkt stehen die Progressive-Rock-Träume von Pianist Marcus Schinkel und Sänger Johannes Kuchta – was oft, aber nicht immer von Vorteil ist.

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Lazuli: Bombast für die Zukunft

Weiterentwicklung statt Wiederholung: Auf diese scheinbar einfache Formel hat Keith Emerson einst den Progressive Rock heruntergebrochen und ihn damit den bewusst eingängigen Pop-Songs entgegengestellt. Dabei muss sich beides nicht ausschließen. Die französische Band Lazuli verbindet zum Beispiel beides seit über 25 Jahren, vereint dichte Gitarren-Riffs und Keyboards-Sounds sowie ausgedehnte Instrumental-Passagen mit komplexer Harmonik und Melodik mit stringenten, lyrischen Texten und sorgt damit ein ums andere Mal für Begeisterung. Nun ist das Quintett um die Brüder Claude und Dominique Leonetti im Rahmen ihrer „Onze“-Tour in die Harmonie gekommen – und verspricht den Fans bereits ein neues Album im kommenden Jahr.

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„Hairspray“: „Du hast Pickel auf der Seele“

So richtig hat eigentlich niemand an Tracy Turnblad geglaubt, noch nicht einmal sie selber. Sie, das pummelige Mädchen mit der hohen Frisur, die Außenseiterin in der Schule und in der Gesellschaft, als Tänzerin des so genannten Komitees im Fernsehen und damit als Vorbild einer ganzen Generation von Teenagern, die ansonsten nur auf das Äußere schauen und jeden an Modelmaßen messen? Kann doch nicht klappen. In „Hairspray“ aber schon. Immerhin greift das Musical (2002), das sich basierend auf dem gleichnamigen Film von 1988 mit Body-Shaming, Mobbing und Rassismus auseinandersetzt, genüsslich sämtliche Broadway-Klischees auf, überhöht und karikiert sie. Jetzt hat das Theater Bonn den Stoff im Opernhaus auf die Bühne gebracht und die Grenzen zwischen der bonbonfarbenen und der schwarz-weißen Realität zerschlagen. Ein Thema, dass erschreckend aktuell ist – und das doch für viel Spaß sorgt.

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Andreas Rebers: Der Mann fürs Grobe

Andreas Rebers ist kein Mann der leisen Töne. Der 66-jährige Kabarettist bezeichnet sich selbst als ein Vertreter der radikalen Mitte, einer, der sich nicht einfach auf eine Seite stellt und gleichzeitig mit Genuss provoziert und polarisiert. Im ausverkauften Pantheon analysiert Rebers nun einmal mehr die Welt auf ihren Zustand hin, regt zum Nachdenken an und zum Aufregen, mal mit doppelbödigen satirischen Kommentaren und mal mit gnadenlosen Beschimpfungen. Was nicht immer zusammenpasst. Und dennoch einige spannende Perspektiven bietet.

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Konrad Beikircher: „Hauptsache, es geht weiter“

Der Rheinländer ist für Konrad Beikircher bis heute ein Faszinosum, ein eigentümliches Wesen, von dem man eine Menge lernen kann. Zum Beispiel Überleben. Damit beschäftigt sich der 78-Jährige im Grunde schon seit beinahe 60 Jahren, als er des Studiums wegen nach Bonn zog und von dort nicht wieder weg kam. Wegen des Rheinländers natürlich, dessen Art Beikircher seitdem zu analysieren und für sich zu adaptieren versucht. Eines der wichtigsten Talente für diese Transformation sei die Zuversicht, alles überstehen zu können, selbst den Tod. „Hauptsache, es geht weiter“, so das Motto, oder wie Beikircher einen ehemaligen kölschen Totengräber zitiert: „Das mit dem Sterben werde ich auch noch überleben.“ In seinem neuen Programm geht Beikircher nun genau dieser Haltung auf den Grund, sucht nach weiteren wichtigen Eigenschaften des Rheinländers und vergleicht sie mit anderen klischeebeladenen Volksstämmen. Mit einigen interessanten Erkenntnissen.

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Gun & Scorpion Child: Grüße von der harten Seite

Und schon ist es wieder vorbei, das Crossroads-Festival des WDR Rockpalasts. Vier Tage, acht Bands und jede Menge Rock in allen Farben und Formen lassen in der Harmonie ein Publikum zurück, das angesichts vieler progressiver Spielmuster (etwa bei Rosalie Cunningham) nicht durchgehend überzeugt scheint, sich aber auch an einige schöne Momente erinnern kann. An den Auftritt von Mojo Thunder etwa, die Crossroads am vergangenen Mittwoch eröffneten. Oder an den von Gun, die am letzten Abend mit kernigem, staubtrockenem und kompromisslosen Rock einen schnörkellosen Gegenentwurf zu überfrachteten Klangflächen und permanenten Stil-Wechseln ablieferten. Stark.

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OnAir: Der letzte Akkord

Vier der Besten machen Schluss: Mit der Auflösung von OnAir Ende dieses Jahres verabschieden sich einige der stärksten a-cappella-Stimmen des Landes von der Bühne. Mit einer letzten Tour sagt das Quartett, das im Laufe von mehr als einer Dekade zahlreiche renommierte Preise erlangte, derzeit ihren Fans Lebewohl und macht dabei natürlich auch im Haus der Springmaus Station. Dabei greifen OnAir unweigerlich auf ihre oftmals episch arrangierten Klassiker zurück, präsentieren aber auch neues Material – und dem hört man an, dass die Entscheidung den vier Musikerinnen und Musikern alles andere als leicht gefallen ist.

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Mojo Thunder & Mike Zito: Ein fantastisches Donnerwetter

Boom, was für ein Auftakt! Der Auftritt von Mojo Thunder, mit dem die diesjährige Herbst-Ausgabe des WDR Rockpalast Crossroads-Festivals begonnen hat, setzt Maßstäbe in Bezug auf Spielfreude und Vielseitigkeit, Leidenschaft und Energie. Das langhaarige Quartett aus Kentucky lässt es in der Harmonie vom ersten Ton an ordentlich krachen, lässt die Gitarren aufjaulen und Bass und Schlagzeug galoppieren, ohne dabei aber eintönig oder beliebig zu werden. Ganz im Gegenteil: Ständig kommen die Vier mit unerwarteten Wendungen daher, tanzen mühelos auf, über und hinter den Grenzen von Psychedelic, Alternative und Hard Rock und sind dabei so kreativ, dass es ein Genuss ist.

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Janet Jackson: Genuss fürs Auge aber nicht fürs Ohr

Um gleich mal mit einem Kompliment anzufangen: Janet Jackson sieht man ihr Alter nun wirklich nicht an, zumindest nicht auf der Bühne. Da wirkt sie eher wie eine virile 40-Jährige als eine End-Fünfzigerin, die schon seit 51 Jahren auf der Bühne steht und immer noch in der Lage ist, eine starke Show zu präsentieren. Zumindest sofern das Auge betroffen ist. In der Kölner Lanxess Arena hatte das Ohr im Gegensatz dazu nämlich leider nicht viel zu lachen, dafür ist der Sound einfach zu blechern, zu jaulend, zu laut und zu breiig. Und auch wenn die Erwartungen des Publikums eher in Richtung eines Spektakels gingen als in die eines musikalischen Höhepunktes, erweist sich die Diskrepanz in der Domstadt leider einfach als zu groß, um sie einfach unter den Tisch zu kehren. Zumal Janet Jackson bei einzelnen, ruhigeren Stücken bewies, dass sie beim richtigen Song nicht nur wegen der Lichter alle Blicke auf sich zieht.

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René Sydow: Das kostbarste Gut der Menschheit

Sprache ist wandelbar. Wunderbar. Und in den richtigen Händen – beziehungsweise Zungen – ein unglaublich präzises und schönes Instrument. Eines, das René Sydow meisterhaft zu führen versteht. Der 44-jährige Kabarettist liebt Sprache, nicht nur als Handwerkszeug sondern als Mittel poetischer Schöpfungskraft. „Sie ist das Schönste, was wir haben“, sagt er im Pantheon. Umso trauriger und wütender macht es ihn, wenn Sprache nicht richtig verstanden, falsch eingesetzt oder gar missbraucht wird, von Kindern, Politikern und Lobbyisten. Doch Sydow will gegensteuern, will  diskutieren und sensibilisieren, aufklären und richtigstellen, selbst wenn er dafür bis zum Indogermanischen zurückgehen muss, um sich unter anderem gegen die Indoktrination mit gendergerechter Sprache zu wehren. Und um abzurechnen. Wobei er dabei schnell persönlich wird.

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Rebell Comedy: Andere Blickwinkel

Deutschland driftet nach rechts. Das Erstarken der AfD weckt bei vielen Menschen Ängste, nicht zuletzt bei den Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund, von denen immer mehr mit dem Gedanken spielen, die Bundesrepublik zu verlassen. Muss das sein? Nein, sagen die meisten Mitglieder der Rebell Comedy, die auf Einladung der Reihe „Quatsch keine Oper“ zum wiederholten Mal in Bonn auf der Bühne stehen, von Alltagsrassismus berichten und trotzdem darüber lachen können. Das Multikulti-Comedy-Kollektiv erweist sich dabei als so politisch wie nie zuvor, jongliert mit Klischees und hält sich erfreulicherweise von Plattitüden und Witzen unter der Gürtellinie fern. Ein bemerkenswerter Abend, der auf andere Blickwinkel setzt. Und die Integrationsdebatte geraderückt.

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